Rubrik: Wirecard

Vor Jahresfrist wurde die Symrise-Aktie als möglicher DAX-Nachfolger für die Skandalnudel Wirecard genannt. Geklappt hat dies damals leider nicht. Der Essenlieferant Delivery Hero bekam den Vorzug. Doch im September sollte es mit dem Aufstieg klappen, denn dann wird der DAX von 30 auf 40 Mitglieder überholt. Und auch aus anderen Gründen bleibt Symrise ein spannendes Unternehmen. So erwarten wir schon in den kommenden Tagen neue Rekordkurse für die MDAX-Aktie (SYM999).

Wünschenswert wäre, wenn Symrise (SYM999) als Wirecard-Nachfolger in den DAX aufsteigen darf. Denn das Geschäftsmodell des seit 2006 börsennotierten Unternehmens ist einfach und klar. An rund 90 Standorten rund um den Erdball produzieren und verkaufen die Holzmindener verschiedenste Duft- und Geschmackstoffe. Rund 30.000 Produkte befinden sich im Angebot, die mehr als 6.000 Kunden weltweit erwerben. Sie stammen vor allem aus verschiedensten Branchen, angefangen von Parfüm- und Kosmetikherstellern über Lebensmittel- und Getränkeproduzenten bis zur pharmazeutischen Industrie. Der große Vorteil gegenüber dem Aufstiegsrivalen Delivery Hero: Symrise schreibt seit vielen Jahren schwarze Zahlen, während der Essensdienst noch im verlustreichen Wachstumsmodus fährt.

Der DAX-Wert Wirecard stellt beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das ist schon ein bisschen pleite. Häme ist allerdings unangebracht. Der Schaden bei den Stakeholdern ist immens. Auch dürfte die ohnehin kaum vorhandene Aktienkultur in Deutschland erneut gelitten haben. Ist die Wirecard-Aktie – quasi in Liquidation – noch etwas wert?

Wirecard ist eine Minusvision. Der Rauch hat sich längst noch nicht gelegt. Die Suche nach den knapp zwei Milliarden Euro, die angeblich auf asiatischen Treuhandkonten liegen sollen, geht weiter. Sind sie verschwunden oder waren sie nie da? Ist das wichtig? Schon. Die Wirecard-Aktie steigt wieder, begleitet von der Nachricht in Singapur eine Banklizenz beantragen zu wollen, deutlich an. Aber die Katze dürfte tot sein.

Markus Braun, der inzwischen geschasste jahrelange Chef von Wirecard, war wohl auch in Sachen Buchhaltung sehr kreativ. Kaum ist er geschasst, muss der Zahlungsdienstleister einräumen, dass die Bücher sehr wahrscheinlich frisiert sind. Ein Offenbarungseid. An der Börse fällt die Aktie knapp unter zwölf Euro. Wo der faire Wert der Aktie liegen könnte.

Die Suche nach den 1,9 Milliarden Euro geht bei Wirecard weiter – und das könnte für Wirecard existenzbedrohend werden. Chef Braun tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Zuvor spricht er noch von einem Betrugsfall. War das schon Realitätsverlust? Später twittert er von einem „starken Businessmodel“. Es bleibt nur noch Kopfschütteln. Anleger können die Aktie für längere Zeit vergessen, sie ist zum Zockerpapier verkommen.

Zur Wirecard-Aktie gibt es nicht mehr viel aus Anlegersicht zu schreiben: Das Papier ist zum reinen Spekulationsobjekt verkommen. Die Veröffentlichung des Jahres- und Konzernabschluss 2019 ist erneut – unglaublich! – verschoben. Das Unternehmen ist auf der Suche nach Bankguthaben in einer Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Letztlich geht es um die Existenz von Wirecard. Anleger könnten die Aktie für lange Zeit vergessen.

Unglaublich: Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen Wirecard-Vorstandsmitglieder wegen des Verdachts auf Marktmanipulation und hat deswegen Büros durchsucht. Anleger fragen sich wie lange das Drama um den Zahlungsabwickler noch andauern soll? Die jetzige Geschäftsführung hat nach unruhigen Jahren jeglichen Kredit aufgebraucht. Ihr ist es nicht gelungen Ruhe und Seriosität zu vermitteln. Wann können Anleger wieder zugreifen?

Wie sagt dereinst der große Fußballphilosoph Oliver Kahn: „Wenn’s scheiße läuft, läuft’s scheiße.“ Irgendwie scheint das bei Wirecard derzeit der Fall zu sein: Nun verschieb sich die Veröffentlichung der Konzernbilanz 2019 auf den 18. Juni, eigentlich war der 4. Juni vorgesehen gewesen. Ein schlechtes Omen? Kommt da noch etwas nach? Die Wirecard-Aktie fällt deutlicher.

Preisfrage unter Charttechnikern: Wird die Wirecard-Aktie bei knapp über 80 Euro (kurzfristig) einen Doppelboden bilden können? Die vorläufigen Zahlen von Wirecard für das erste Quartal waren recht ansehnlich: Trotz Corona steigerte Wirecard den Umsatz wohl um 24 Prozent auf 700 Millionen Euro. Die Jahresprognose wurde bestätigt. Bei Kursen unter 80 Euro sieht es charttechnisch sehr schnell sehr düster aus.

Ist das nun eine gute oder schlechte Nachricht? Wirecard holt zum 1. Juli James Freis in den Vorstand. Er soll die Abteilung Integrity, Legal und Compliance – Integrität, Recht und Regeltreue – aufbauen. Freis ist ein ausgesprochener Spezialist für diese Dinge. Da schwingt erneut der Versuch einer verkrampften Reinwaschung bei Wirecard mit. Wird das reichen, um eine Wende bei der Aktie zu bewirken oder muss Braun gehen?

Kürzlich stand die Wirecard-Aktie am mittelfristigen Abwärtstrend bei 140 Euro. Es sah fast so aus – vor dem KPMG-Sonderprüftungsbericht – als könne die Aktie diesen nach oben durchbrechen. Nun, es kam, das ist inzwischen bekannt, anders und der Kurs prallte an der Linie ab und krachte nach unten. Drohen durch die Enttäuschung weitere herbe Kursverluste?