Rubrik: Wirecard

Ist das jetzt schon Sell-in-May-and-go-away? Der DAX kann nicht so recht etwas mit sich anfangen, deshalb gibt er vorsichtshalber nach. Und Gründe findet man dazu auch: Mit der Weltkonjunktur läuft es nicht sonderlich gut, das haben die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) nun unisono bestätigt, die eine im Protokoll ihrer vergangenen Sitzung, die andere in ihrem Jahresbericht. Die Botschaft der Notenbanken dabei ist klar: Die Zentralbanker werden sehr vorsichtig bei Zinserhöhungen sein (Fed) beziehungsweise die Märkte mit noch mehr Liquidität versorgen (EZB).

Wir erinnern uns: Das völlig unbekannte, selbsternannte Research-Haus Zatarra hatte ein Kursziel für die Wirecard-Aktie von 0 Euro (in Worten: Null Euro) genannt. Gleichzeitig war die Aktie einer heftigen Short-Attacke ausgesetzt. Von Kursen bei 47 Euro Ende Januar war der Titel bis in den Bereich von 31 Euro gedrückt worden, obwohl Wirecard-Vorstandschef Markus Braun jede Menge Wirecard-Aktien am Markt aufkaufte. Schon in den vergangenen Tagen stabilisierte sich die Wirecard-Aktie oberhalb der 30-Euro-Marke.

Nun hat sich der DAX doch noch dazu durchgerungen die Liquiditätsgeschenke Mario Draghis gebührend zu feiern. Das Plus zum Wochenschluss fällt beachtlich aus. Man ist wieder versöhnt mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihrem Präsidenten. Am Tag der Entscheidung noch ein wenig geschockt über die fülle der Maßnahmen … da machte sich so mancher Börsianer doch wieder Gedanken über die Solidität der Finanzwelt, insbesondere in der Eurozone. Aber, vergessen und vorbei. Draghi hat mehr geliefert als er musste. Erstaunliches tut sich nach wie vor bei den Aktien der Commerzbank und der Deutschen Bank. Sie bestätigen ihre derzeit positive Grundaussicht.

Der Geist von Magic Mario, alias EZB-Präsident Mario Draghi, wabert schon über das Börsen-Parkett. Der Euro fällt und der DAX steigt. [Wir haben das auch hier im Video bereits thematisiert.] Die Konjunktur in der Eurozone (und auch weltweit) läuft aus Sicht der Notenbanker nicht gut genug, um tatenlos zusehen zu können. Weitere Lockerungsmaßnahmen werden erwartet. Beispielsweise könnte das derzeitig Anleihe-Kaufprogramm mit einem Volumen von monatlich 60 Milliarden Euro noch ausgeweitet werden. Oder der Einlagezinssatz könnte von aktuell minus 0,3 Prozent erneut gesenkt werden. Die EZB möchte Inflation und dazu muss die Kreditvergabe angeregt werden. Also sollen die Geschäftsbanken, wenn sie ihre Einlagen bei der EZB hinterlegen, dafür Strafe bezahlen. Das Geld soll unter die Investoren, was auch sinnvoll ist, nur müssen sich auch Investoren einfinden.

Der DAX mäandert so vor sich hin. Lustlos. Uninspiriert. Ihm fällt derzeit nicht so recht ein, wohin er sich bewegen könnte. Einerseits ist da die Hoffnung auf noch mehr Geldsegen von EZB-Präsident Mario Draghi, der sich um die geringen Preissteigerungen in der Eurozone (minus 0,2 Prozent im Februar) Sorgen machen könnte. Die EZB würde die Inflationsrate gerne bei 2 Prozent sehen. Aber die Weltwirtschaft ist nicht sonderlich agil derzeit, so kommt wohl auch kein Schwung in die Preise. Nächsten Woche ist EZB-Sitzung, gut möglich, dass dies Draghi zum Anlass nimmt zumindest verbal zu lockern.

Wirecard-Vorstand Markus Braun sagt, dass Wirecard das Potenzial habe, in fünf Jahren zu einem Global-Player aufzusteigen und bekräftigt nebenbei auch die Prognose für das operative Geschäft im laufenden Jahr (Ebitda: 280 bis 300 Millionen Euro). Außerdem kaufte die MB Beteiligungsgesellschaft mbH (Markus Braun zurechenbar) allein im Februar Wirecard-Aktie im Wert von 26.390.770,50 Euro. Eine ordentliche Summe. Wo kommt das Geld dafür her?

Der DAX schaukelt so vor sich hin. Charttechnisch erweist sich der Widerstandsbereich bei 9.600 Punkten doch als recht robust. Mal ganz abgesehen von der Kurslücke (Gap), die noch bei etwa 9.000 Zählern klafft und sicher noch geschlossen werden will [haben wir hier ja bereits häufiger angesprochen]. Also wartet man am Aktienmarkt erstmal ab, was noch so passieren könnte. Aber es bleibt doch eine gewisse positive Grundstimmung spürbar, was auf der Long-Seite hoffen lässt.

Der DAX nimmt vor dem Wochenausklang noch einmal so richtig Schwung und schiebt sich deutlich über die wichtige Chart-Marke von 9.300 Punkten. Dabei reißt er erneut eine kleine Kurslücke (Gap). Schluss nach oben scheint derzeit bei rund 9.600 Zählern zu sein. Dort befindet sich das Hoch vom 22. Februar und knapp darüber verläuft auch der kurzfristige Abwärtstrend, der sicherlich schon seinen Schatten vorauswirft. Was man spürt: Der DAX hat derzeit einen gewissen Aufwärtsdrang, den er aber nicht in vollen Zügen auslebt.

Wenn man nicht gerade selbst engagiert ist, liebt man als Börsianer doch solche Geschichten: Da meldet sich der bisher nahezu unbekannte [kein Mensch wusste von dem Laden zuvor] Research-Dienst Zatarra Research [ist das ein russischer Troll?] mit einer Studie zu Wirecard zu Wort. Kursziel, um es gleich vorweg zu nehmen: 0,00 Euro [in Worten: null Euro]. Grund: betrügerisches Geschäftsgebaren. Wirecard reagiert prompt und weist die Vorwürfe mit Nachdruck zurück und hat rechtliche Schritte gegen die Urheber des Berichts eingeleitet.

Das wundert nicht, denn die Aktie rauschte von 42 auf 32 Euro (minus 24 Prozent – siehe Chart) nach unten. Eine Attacke von Hedgefonds (Short-Sellern – Lesenswert: Wie Short Seller arbeiten. Interview mit Florian Homm). Inzwischen hat sich der Kurs wieder auf rund 36 Euro erholt. Aber die Unsicherheit ist im Markt.

Kaum eine Aktie auf dem deutschen Kurszettel stemmte sich in den vergangenen drei Wochen erfolgreich gegen den Ausverkauf. Selbst im 110 Werte umfassenden HDAX, in dem die Papiere aus dem DAX, TecDAX und MDAX enthalten sind, liegen derzeit nur zwei Aktien im Gewinn. Doch selbst bei den zehn stärksten Papieren seit Jahresbeginn müssen Anleger ganz genau hinschauen.

Mit zu den positiven Überraschungen zählt Wirecard. Während der TecDAX seit dem Jahreswechsel um 13 Prozent abstürzte, weisen die Papiere des Zahlungsabwicklers nur einen kleinen Abschlag auf. Selbst während der heftigen Verluste am Gesamtmarkt in den vergangenen Tagen hielt die Unterstützung bei 42 bis 42,60 Euro.