Am 5. Juni ist es wieder soweit. Dann tagt der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) und wird über die weitere Zinspolitik entscheiden. Hat man die Aussagen der Pressekonferenz der letzten Ratssitzung noch im Ohr, sollte klar sein: Beim anstehenden Meeting werden die Zinsen gesenkt. EZB-Präsident Mario Draghi hat sich in diesem Punkt überraschend deutlich geäußert, was eigentlich nicht seine Art ist. Notenbanker halten sich sonst mit Ankündigungen zurück, sie wollen nicht ausrechenbar werden. Draghi hat hier sozusagen einen Paradigmenwechsel vollzogen. Präsidenten anderer Euro-Notenbanken haben nachgezogen und ebenfalls eine Lockerung angedeutet.
Nun sagt aber Bundesbankpräsident Jens Weidmann: „Noch ist nichts beschlossen. Der EZB-Rat wird Anfang Juni die neuen Daten gründlich analysieren und dann entscheiden.“ Ist das der übliche Querschuss aus der Bundesbank oder bahnt sich ihr ein Kommunikationsdesaster an? Wenn eine Lockerung ausbleibt, dürfte das an den Märkten, nach dieser medialen Vorbereitung, zu einigen Verwerfungen führen, vorsichtig ausgedrückt. Der Euro nähert sich derzeit etwa – vorauseilend – der Marke von 1,37 Dollar an.
Überhaupt scheint es im Rat einen gewissen Dissens zum Thema Inflation und Deflation zu geben. Weidmann ist der Meinung, dass es keine Hinweise gebe, „dass sich der Euro-Raum in einer deflationären Abwärtsspirale befindet“. Ohnehin sei die Geldpolitik „doch bereits sehr expansiv ausgerichtet“. Draghi bereitet dagegen die anhaltend niedrige Inflation „ernsthafte Sorgen“. Dies könne die EZB nicht hinnehmen.
Auch, was den Aufkauf von Staatsanleihen angeht bleibt Weidmann hartleibig: „Die Notenbanken im Euro-Raum dürfen keine Staaten finanzieren und müssen ihr Mandat eng auslegen, um ihre Unabhängigkeit zu wahren. Hinzu kommt, dass es jetzt mehr denn je ökonomische Gründe gibt, keine Staatsanleihen zu kaufen.“ Draghi sieht auch das sicherlich differenzierter.
Eine PR-Panne kann sich die EZB gerade derzeit nicht leisten. Es scheint so, als bringen sich die Märkte gerade in aller Ruhe in Stellung, so als wolle man die Worte und Taten Draghis ein wenig auf ihre Belastbarkeit testen wollen. Was lässt die EZB beim Euro zu? Wie hoch dürfen Bundeanleihen steigen und deutsche Renditen sinken? Wie weit darf der Verkaufsdruck von Anleihen aus Italien, Griechenland, Spanien und Portugal gehen?
Bildquelle: Deutsche Bundesbank [bearbeitet]