Weck die Kinder! „Wake the kids!“ ruft Rudolf E. Havenstein in einem Tweet. Darüber der Screenshot eines CNBC-Beitrags mit dem Titel “Is Germany Right?”
Wake the kids! pic.twitter.com/iNkOBSHx4n
— Rudolf E. Havenstein (@RudyHavenstein) 14. Oktober 2014
Natürlich twittert da nicht der Rudolf Havenstein, der von 1908 bis 1923 Präsident der Reichsbank gewesen ist, dieser Havenstein ist bereits 1923 gestorben und hatte sich während seiner Amtszeit den Ruf erworben die Notenpresse zu Höchstleistungen angetrieben zu haben. Er war es, der Milliarden-Mark-Scheine drucken ließ, um die damalige wirtschaftliche Misere in Deutschland zu lösen. Am Ende waren alle Milliardäre und Billionäre, aber nahezu jeder bettelarm. Die Probleme wurden immer größer und wurden schließlich mittels einer Währungsreform gelöst. So weit die Geschichte. Aber diese Geschichte schwingt in Deutschland bis in die Gegenwart. Weil man hierzulande nicht sonderlich gute Erfahrungen mit dem massenhaften Drucken von Geld gemacht hat, steht man dieser Problemlösungsvariante traditionell skeptisch gegenüber. Kanzlerin Angela Merkel wird in der Eurozone bereits gerne mal als Dr. No bezeichnet, nicht nur, weil sie sich allen Forderungen nach neuen Schulden beharrlich verweigert, sondern wohl auch mit Anklängen an den Super-Verbrecher der Organisation G.O.F.T.E.R (Geheimorganisation für Terror, Erpressung und Rache) im ersten James Bond Film. Terror und Erpressung, tatsächlich sind auch diese Wort schon gefallen. Das deutsche Spardiktat für die Eurozone sei reine Erpressung, heißt es immer wieder. Und jetzt am Wochenende als Weltbank und Internationaler Währungsfonds tagten war die Rede von globalem Staatsterrorismus, den Deutschland mit seinen ständigen Absagen an schuldenfinanzierte Investitionsprogramme betreibe. Und Sahra Wagenknecht von den Linken lästert twitternd:
Konjunktureinbruch? Merkel ist das egal. Die „schwarze Null“ im Kanzleramt spart Europa kaputt. #Herbstgutachten http://t.co/PdxuZowOcQ — Sahra Wagenknecht (@SWagenknecht) 14. Oktober 2014
Bei all dieser Kritik an Deutschland schwingt auch mit, dass wir die Eurozone und nun wohl auch die Welt müssen, Dr. No und James Bond in Personalunion. Mir wird immer etwas unbehaglich bei solchen Aussagen, dass ausgerecht wir die Welt retten sollen/müssen, was wohl auch mit unserer Geschichte zu tun hat.
Also: Deutschland müsse nur ordentlich Schulden machen und am besten alle anderen gleich mit – und schon wird alles gut? Wenn dem so einfach wäre, sollten wir alle, aber auch wirklich alle, laut rufen: JA! JA! JA! Aber so einfach ist es nicht, leider.
In der Wirtschaft und an der Börse (eigentlich in der Mathematik) gibt es eine unumstößliche Regel:
There is no free lunch!
Es gibt nichts geschenkt und sollte es tatsächlich mal Geld von Himmel rieseln, dann kann man Davon ausgehen (siehe Havenstein), dass dieses bald nichts mehr oder nicht mehr viel Wert ist. Die Schulden von heute, müssen morgen zurückgezahlt werden, weshalb ich mir dann womöglich nichts mehr kaufen kann, weil beispielsweise die Steuern steigen. Daher besser gleich sparen, mit der Aussicht, dass dann die Steuern sinken können, was mich heute schon ausgabenfreudiger stimmt. Hier treffen zwei Denkschulen aufeinander (Keynes vs. Riccardo). Aber ja, es ist auch falsch in eine Krise hineinzusparen. Auch damit hat Deutschland und ein Reichskanzler Erfahrungen gesammelt. Heinrich Brüning sparte und trieb die Deutschen in eine tiefe Krise und letztlich in die Hände der ausgabenfreudigen Nazis (Autobahnbau).
Liegt Deutschland somit richtig mit seiner starren Haltung zu neuer Verschuldung? Is Germany Right? Ich meine, ja und nein. Es gibt keine billige Lösung. Neue Schulden senken den Refomdruck, aber ohne Reformen wird es nicht gehen in der Eurozone. Besonders in Frankreich und Italien sind die Strukturen völlig überholt. Nur sparen hilft auch nicht weiter, wenn es an Nachfrage fehlt, so wie derzeit. Hier kann zeitweise der Staat mit sinnvollen Projekten (keine weiteren Straßen auf entlegenen griechischen Inseln) einspringen und die Wirtschaft wieder in Gang bringen, wenn ein Abwärtsspirale droht.
Vor allem aber braucht es ein Ziel oder eine Vision (großes Wort) für Europa und nicht nur mehr Schulden oder ein Nein. Sonst fragt man sich schnell, warum mehr Schulden oder warum Nein?
Bildquelle: claudilie / pixelio.de [bearbeitet]