Ein Wehklagen zieht durch das Land. Börsianer weinen, weil der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, nicht das gemacht hat, was man von ihm erwartete. Er sollte die Märkte mit noch mehr Liquidität fluten als er dies ohnehin schon tut. Aber Draghi hat nur 360 Milliarden Euro mehr für die Börse spendiert. Zu wenig, meinen die Anleger.
Die Märkte sind gierig geworden. Sie wollen, dass die Kurse steigen, Zinsen nicht mehr vorhanden sind, der Euro niedrig bleibt (wegen der Wettbewerbsfähigkeit und den Unternehmensgewinnen), Anleihen, egal welcher Qualität, von der Zentralbank gekauft werden, Banken gerettet, überhaupt alles gerettet wird, wenn es mal wieder brenzlig wird.
Natürlich funktioniert Börse so nicht, zumindest auf Dauer nicht. Doch wenn man sich an diesen wunderbaren Zustand erst einmal gewöhnt hat, dann fällt es natürlich schwer, davon wieder Abstand zu nehmen. Lesen Sie bitte auch: Geplatzter, feuchter Traum von ewiger Sicherheit an den Börsen.
Die Botschaft von gestern lautet auch: Wir werden uns daran wieder – ein wenig -gewöhnen müssen.
Es scheint zurzeit ein Umdenken in den Notenbanken stattzufinden. Die EZB hat nicht mehr alles gegeben, was sie hätte geben können. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) wird mit hoher Wahrscheinlichkeit am 16. Dezember die Leitzinsen in den USA erhöhen. Nur ein wenig, aber immerhin. Wenn sie es nicht täte wäre wohl der letzte Rest Glaubwürdigkeit dahin. Zudem deutete die Fed-Chefin Janet Yellen an, dass sie sich regelrecht auf eine Leitzinserhöhung freue(!), weil dies Stärke signalisiere.
Überhaupt könnte das der Hauptantrieb für die Notenbanken sein: Normalität. Endlich nicht mehr Krise. Zumindest soll der Anschein erweckt werden.
Klar ist jedoch auch: Bei allem Verständnis Normalität herbeireden zu wollen (50-60 Prozent der Wirtschaft sind Psychologie), bleiben die Notenbanken (und die Welt) doch Gefangener ihrer Politik der vergangenen Jahre. Der ganz große Zusammenbruch wurden für den Preis einer horrenden Staatsverschuldung, dem massenhaften Aufkauf von Staatsanleihen durch die Notenbanken und dem Wegfall von Guthaben-Zinsen, was den Standard-Privatanleger um seine Altersvorsorge bringt, geopfert.
Als Angela Merkel und Peer Steinbrück im Oktober 2008 vor die Kameras traten und verkündeten, dass die Einlagen der Deutschen sicher seien, war der Weg vorgezeichnet: Sicherheit um jeden Preis. Das war/ist kein deutsche Phänomen, Amerikaner, Japan, Chinesen und Briten machten oder machen es genauso.
Nun testen die Notenbanken wie weit sie den eingeschlagenen Weg verlassen können. Mario Draghi hat gestern die Fußspitze ein wenig vom Mittelstreifen genommen – schon hat es gekracht an den Börsen.
Wir sind somit weit entfernt von Normalität. Das gesamte Finanzsystem bleibt fragil. Die Notenbanken wissen das nur zu gut und werden entsprechend vorsichtig agieren. Jetzt etwas weniger Geld als erwartet, im Dezember eine Leitzinserhöhung – und dann erstmal sehen.
Es dürfte spannend werden.
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