Und wieder ist die Aktie von FlatexDegiro an der Widerstandszone von 11,50 Euro nach unten abgeprallt. Das passiert zuvor schon im August und November 2022 sowie letztlich auch im Dezember 2023. Rein technisch sind das zunächst keine guten Aussichten, auch wenn sich das Papier des Online-Brokers seit Dezember 2022 in einem leichten Aufwärtstrend befindet (siehe auch Tageschart unten).
Doch diese technische Analyse gibt nur zureichend wieder, dass es bei FlatexDegiro dieser Tag sehr turbulent zugeht. Gestern (22. April) trat der bisherige CEO Frank Niehage mit Wirkung zum 30. April nach zehn bewegten Jahren als verantwortlicher Vorstand zurück. Als Grund werden unterschiedliche Auffassungen über die Unternehmensstrategie und das Wohl der Gesellschaft angegeben.
Der bekanntermaßen geradlinige Niehage hat es damit nicht auf einen Showdown mit Ankeraktionär und Gründer des ursprünglichen Online-Brokers Flatex, Bernd Förtsch (Der Aktionär, Börse Online, Euro), er hält 19 Prozent an FlatexDegiro, auf der Hauptversammlung (HV) am 4. Juni ankommen lassen.
Zuvor hatten sich Förtsch und Niehage bereits über die Medien gebattelt. Förtsch war wohl unzufrieden mit der Aktienkurs-Entwicklung und somit dem Wert des Unternehmens.
Niehage gelang es zwar das Unternehmen zu stabilisieren und auf ein sehr gute Basis zu stellen, aber die Börse honorierte das nicht angemessen. Noch immer haftete an FlatexDegiro ein gewisser Makel, weil die Finanzaufsicht Bafin 2022 bei einer Sonderprüfung einige Mängel feststellte. Diese sind zwar inzwischen weitgehend ausgeräumt und auch die Kapitalanforderungen passen, aber Anleger sind in solchen Dingen nicht vergesslich.
Holprig war in diesem Zusammenhang auch die Personalie des damaligen Finanzchefs Muhamad Chahrour, der Anfang 2023 erst Vize-Vorstandschef wurde und dann, wenig später, recht überraschend abtrat.
Ein strategischer Diskussionspunkt ist offenbar die Gebührenstruktur von FlatexDegiro: Wettbewerber aus dem Neo-Segment seien hier mitunter transparenter, heißt es in der Branche. Gespannt dürfen Anleger und Trader auch sein, ob FlatexDegiro künftig wieder Zinsen auf Tagesgeld anbietet, was üblicherweise Kunden anlockt. Niehage hatte Tagesgeldzinsen abgelehnt – und damit gleichwohl ein sattes Zinsergebnis hingelegt [siehe Plusvisionen HIER].
Die Börse ist nach dem Rücktritt verunsichert, der Kurs nähert sich von oben wieder der 200-Tage-Linie bei 9,60 Euro an: Wer wird neuer Vorstand der Bank (die Suche soll bereits laufen)? Wie ist die künftige Ausrichtung des Online-Brokers? Gibt es wieder Tagesgeldzinsen? Wie will FlatexDegiro Trader binden? Wie werden sich die Ergebnisse entwickeln?
Unterschiedliche Meinungen sind das Lebenselixier der Börse, nur so bewegt sich etwas. Niehage war anderer Auffassung als Förtsch und zog daraus, wie es seine robuste Art ist, die Konsequenzen, womit ein Belastungsfaktor für die Aktie, ein sich möglicherweise hinziehender Dauerstreit, vermieden wurde.
Das ist sicher auch im Sinne von Niehage, der über die Jahre viele Stücke von FlatexDegiro als Insider eingesammelt hat. Er wolle Aktionär von FlatexDegiro bleiben, schreibt er in einer Mitteilung zu seiner Demission. Gut, denn Verkäufe oder Teilverkäufe würden den Kurs wahrscheinlich belasten.
Niehage gibt einen internationalen Online-Broker mit solider Basis und einer Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro ab. Plusvisionen hält das tendenziell für zu wenig angesichts des Potenzials des Online-Brokers.
FlatexDegiro-Aktie (Tageschart): Wieder am Widerstand abgeprallt