Rubrik: John Cryan

Was waren das einst für Zeiten. Das Investmentbanking in seiner Ausprägung der 90iger- und der Nuller-Jahre stand erst noch bevor. Die Rede war von der Bankenmacht. Ja. Wirklich! Bankenmacht. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, zumindest in Deutschland nicht. Die deutschen Banken hielten mitunter gewaltige Beteiligungsportfolios. Im Zentrum der sogenannten Deutschland AG – natürlich – die Deutsche Bank. Sie hatte Beteiligungen von zu ziemlich allem [Übertreibung!], was Rang und Namen hatte. Ein kleiner Auszug …

Der Kurs der Deutschen-Bank-Aktie rutscht zeitweise unter die Marke von 10 Euro. Verantwortlich dafür soll eine konzertierte Aktion von Shortsellern (Hedgefonds) sein. Angeblich sollen Hedgefonds auch ihre Geschäftsbeziehungen zu der Deutschen Bank reduzieren. Natürlich stellen sich hier sofort die üblichen Fragen: Wer ist der Gute? Wer ist der Böse? Was ist der Grund? Und was ist die Folge?

Wer hätte es gedacht: Bei den Banken spielt derzeit die Börsenmusik. Und es gibt sogar handfeste Gründe, warum dieser Sektor plötzlich in den Fokus rückt: Zunächst sind dies Fusionsfantasien. Dabei soll die Deutsche Bank die Commerzbank übernehmen. DZ-Bank-Experten wollen Gründe gefunden haben, die zumindest für eine Teilerholung sorgen könnten. Anlass genug, um in einen ETF oder ein Bonus-Zertifikat zu investieren?

Die Deutsche Bank wird aber trotz aller Probleme zu den Banken gehören, die auch eine Branchenkonzentration überleben könnte. Dies belegen auch die Daten, welche die „Blauen“ heute (27. Juli 2016) vorlegten. Ungeacht des Radikalumbaus von Konzernchef John Cryan blieb im zweiten Quartal ein Minigewinn von 20 Millionen Euro blieb übrig – nach 818 Millionen Euro vor Jahresfrist. Gleichwohl bemerkte Cryan, dass der Umbau und das Sparprogramm noch nicht abgeschlossen seien. Wohl deshalb eröffnete die Deutsche Bank-Aktie erneut schwächer.

Briten wollen gehen und stimmen für den Austieg aus der EU. Lassen wir sie gehen, denn Reisende soll man ja bekanntlich nicht aufhalten. Wir haben wohl unterschätzt wie skurril unsere Insel-Nachbarn sein können. Gut, wir werden auch ohne sie zurechtkommen. Es geht ja immer weiter, irgendwie. Der DAX bricht in einer ersten Reaktion um 10 Prozent ein. Er wird sich auch wieder erholen, wenn sich der Rauch gelegt hat.

Aktionär der Deutschen Bank zu sein, ist längst keine Prestigeangelegenheit mehr. Es ist eher ein Leiden aus Leidenschaft, um den Claim der Deutschen Bank „Leistung aus Leidenschaft“ zu bemühen. Brave Aktionäre mutieren da zu Wutaktionären. Wer will es ihnen verdenken: 2007 notierte die Aktie der Deutschen Bank noch bei knapp 120 Euro. Inzwischen ist sie zeitweise auf 13 Euro abgesackt. Das ist ein stolzes Minus von 90(!) Prozent. Die Dividende: gestrichen. Ergebnis 2015: ein Minus von 6,8 Milliarden Euro.

Als Börsianer ist man immer wieder aufs Neue erstaunt, wie heruntergewirtschaftet die Deutsche Bank ist. All der Glanz – alles nur Fassade, so scheint es. Und man muss ketzerisch fragen: Gab es in dem Haus nach Alfred Herrhausen, der von jenen RAF-Terroristen ermordet wurde, die nun Geldtransporter überfallen, noch einen fähigen Manager. Denkt man zurück fallen einem nur noch Skandale ein: Peanuts, Kirch, Russland, Libor, Hypotheken, Gold, Devisen … Horrende Strafzahlungen wurden schon fällig. Rechtsstreitigkeiten sind noch anhängig und werden wohl ebenfalls sehr teuer werden. Vermutlich beschäftig die Deutsche Bank schon mehr Juristen als Banker, man weiß es nicht. Vielleicht liegt die Misere daran. 4 Gründe für den Einstieg.

Ich glaube, ich gründe einen Cryan-Fan-Club. Aus Aktionärssicht bin ich begeistert, was der nicht neue Chef der Deutschen Bank so alles anspricht und anstößt. Nun hat er darüber philosophiert, dass Banker wohl noch immer zu viel verdienen/bekommen, die Bezahlung sei zu hoch. Er könne sich gar nicht vorstellen, dass ein Bonus eine Motivation sei, besser und/oder mehr zu arbeiten. Es sind die richtigen Gedanken nach all den Jahren der Hybris und der Krisen in der Bankenbranche.

Englische Besen kehren gut, wird es wohl künftig bei der Deutschen Bank heißen. Erst hat Neu-chef John Cryan die Bilanz ausgekehrt (Quartalsverlust von 6 Milliarden Euro) – und nun kommt das Unternehmen an. Die Anteilseigner müssen für die Jahre 2015 und 2016 auf ihre Dividenden verzichten. Bitter, aber es hatte sich bereits angedeutet. Die Deutsche Bank ist in einem desolaterem Zustand als angenommen. Cryan spricht von „lousy systems“ und „terrible inefficent“. Keine guten Noten … Deshalb braucht die Bank Geld, Geld für den Umbau und die Sanierung, die teuer wird. Womöglich steht auch erneut eine Kapitalerhöhung an.

Cryan schreibt ab (immaterieller Firmenwert von Bankers Trust), bildet weitere Rückstellungen und baut die Chefetage um. Erst jetzt wird immer klare, in welch desolatem Zustand seine Vorgänger hinterlassen beziehungsweise welche Fehlentscheidungen diese getroffen haben. Sind sind keine guten Zeugnisse, die Cryan jetzt für seine Vorgänger und Vorvorgänger ausstellt.

Als Aktionär der Deutschen Bank hat man über all die Skandal-Jahre sicherlich schon eine gewisse Leidensfähigkeit entwickelt. Anders geht es nicht. Immer wieder sollte es besser werden, aber immer wieder gab es neue Rechtsstreitigkeiten oder Strategie-Irrtümer. So liegen die sehr guten Zeiten des Bankhauses schon sehr weit zurück. Einige meinen sogar, dass nach Alfred Herrhausen nur noch bergab ging. Ein hartes Urteil. Fakt ist jedoch: Die Deutsche Bank ist weit entfernt von der Weltspitze. Und was hat man nicht alles probiert … aber nie hatte man das Gefühl, dass jetzt der richtige Weg eingeschlagen wäre. So mancher Vorstandsvorsitzenden (CEOs) der vergangenen Jahre sonnte sich eher in seinen eigenen Eitelkeiten als sich um die Bank zu kümmern, so hatte es zumindest von außen den Anschein. Und immer wieder Verfehlungen und Manipulationen.

Das Gute: Der Neue, John Cryan, ist unbelastet, was die Skandale und Prozesse der Deutschen Bank angeht. Als Investmentbanker, jetziger Aufsichtsrat und Mann Achleitners wird er dessen Linie einer Ausrichtung hin zu einer Investmentbank weiterverfolgen. Die Postbank wird deshalb abgestoßen werden. Ob das die Zukunft ist?