Plusvisionen

Fallende Zinsen in Deutschland als Warnung

Plötzlich reißt man sich an den Börsen um deutsche Schulden. Bundesanleihen, als verbriefte Wertpapiere dieser Schulden, verkaufen sich jüngst wie geschnitten Brot. Im Berliner Finanzministerium knallen sicherlich die Korken – wenn alle Welt deutsche Schuldpapiere möchte, dann muss man dafür auch kaum etwas bieten. Fragt die Bundesrepublik derzeit einen Kredit am Kapitalmarkt mit einer Laufzeit von zwei Jahren in Form von Finanzierungsschätzen nach, muss sie dafür nur -0,03 Prozent bezahlen … nein, der Bund bekommt genau genommen noch etwas dafür, dass man ihm Geld leiht. So vertrauenswürdig ist derzeit unsere Republik. Auch das war hart erarbeitet. Bei fünfjährigen Bundesobligationen muss der Bund mickrige 0,22Prozent aufrufen und wenn er sich für zehn Jahre Geld leihen möchte, via Bundesanleihen, dann 1,00 Prozent. Nachdem am 14. August der Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal von 0,2 Prozent im Quartalsvergleich bekannt wurde, fiel die Rendite für zehnjähre Bundesanleihen zeitweise auch unter die Marke von 1,00 Prozent, rekordwenig in der Geschichte der Bundesrepublik, bislang.

Der Bund, also irgendwie wir alle, sparen uns dadurch Milliardensummen. Auf uns lasten Schulden von rund 2,04 Billionen Euro oder 25.289 Euro pro Kopf – und da immer wieder alte Schulden beziehungsweise alte Anleihen auslaufen und durch neue ersetzt werden müssen und es auch noch eine Neuverschuldung gibt, wenn auch eine sehr kleine, bezahlen wir für diese Anschlussfinanzierung nur noch sehr wenig, Inflationsbereinigt sogar gar nichts. Diese Ersparnis ist ein wichtiger Grund dafür, weshalb der deutsche Haushalt zurzeit so aufgeräumt und weitgehend schuldenfrei ist. Die die unangenehme Nachricht für Sparer und Kapital-Lebensversicherungsbesitzer: Sie müssen dafür gewissermaßen die Zeche zahlen. Wer zum Beispiel dem Bund 10.000 Euro für zehn Jahre überlässt, bekommt von diesem gerade einmal pro Jahr 100 Euro überwiesen. Das macht nach zehn Jahren 1.000 Euro. Kaufkraftbereinigt ist das ein Verlustgeschäft.

Auch sonst ist dieser Kaufrausch bei Bundespapieren nicht unbedingt eine Nachricht zum Jubeln. Erstens: Werden deutsche Staatsanleihen in diesem Umfang gekauft, ist das auch eine Flucht in einen sicheren Hafen. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2012 war dieser Reflex schon zu beobachten. Es scheint somit wieder etwas mehr zu kriseln in der Eurozone. Sicherheit geht über alles. Oder welche Veranlassung könnte man sonst haben, dem Bund das eigene Ersparte für 1,00 Prozent zu schenken. Zweitens: Anleihenmärkte sich immer auch ein (guter) Konjunkturindikator. Wenn Geld in gering verzinste Anleihen fließt und deren Kurse nach oben und somit die Renditen nach unten triebt, heißt das auch, dass das Geld in der Wirtschaft nicht für Investitionen gebraucht wird, also dort noch genügend Kapazitäten frei sind.

Tatsächlich scheint es in der deutschen Wirtschaft derzeit nicht sonderlich gut zu laufen. Jüngst gab es miese Zahlen bei der Industrieprodukten, bei den Auftragseingängen und beispielsweise beim ifo Index, der zum dritten Mal in Folge fiel. Noch düsterer präsentierte sicher der ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland. Sie sanken schon zum achten Mal in Folge und stehen nun so schlecht das wie seit Dezember 2012 nicht mehr. Kein Wunder, schließlich kracht es in allen Ecken der Welt, das ist nicht gut für die geopolitische Stimmung – und diese ist wichtig für die Wirtschaft, vor allem für eine Exportnation wie Deutschland. Wer ordert schon gerne Maschinen, wenn wieder irgendwo Krieg droht?

Bislang war Deutschland die Konjunkturlokomotive für die Eurozone. Ohne das Wachstum hierzulande befände sich die Eurozone wohl in einer Rezession oder knapp davor. Fällt diese Zugkraft nun weg, dürfte es rasch düster werden. Die Industrieproduktion in der Eurozone ist im Juni schon zum zweiten mal in Folge gefallen. Keine guten Aussichten. Positive Impulse aus der Eurozone sind hingegen kaum zu erwarten. Große Länder wie Italien und Frankreich stehen kurz vor einer Rezession und vor dringend notwendigen Reformen. Die Konjunktur in Spanien oder Portugal ist längst nicht gefestigt. So dürfte Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), ohnehin von Deflationssorgen beunruhigt, schon hab acht stehen. Quantitative Easing (QE), den direkten Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank, hat er bislang noch nicht angewendet aus seinem Notenbanker-Repertoire. Das dürfte als nächstes anstehen.

Die Bundesbank hat jüngst schon prophylaktisch dagegengehalten, da sie QE nicht gerne sieht, vorsichtig formuliert und höhere Löhne für Deutschland gefordert. Eine Art kleines Konjunkturprogramm für die Eurozone. Doch mit schlechter werdenden Wirtschaftsdaten, so sie kommen sollten, würde sie sich kaum dagegenstemmen können. Beerdigt würde dann sicher auch die von Deutschland für die Eurozone verordnetet Sparpolitik (Austeritätspolitik). Nach dem Vorbild der USA würden dann wohl in größerem Stil Staatsanleihen gekauft und die Verschuldung als Konjunkturstütze weiter nach oben getrieben. Insbesondere Deutschland würde gedrängt werden seine strikte Haushaltsdisziplin zu locken, die Spielräume wären da.

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