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Carsten Mumm Donner Reuschel Bank // 2019 wird kein einfaches Jahr, Aktien bleiben erste Wahl

Interview, Carsten Mumm, Donner & Reuschel, DAX, Euro, Dollar, Zinsen

Bildquelle: Carten Mumm, Donner & Reuschel [bearbeitet]

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Carsten Mumm, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Bank Donner & Reuschel, zum Jahresausblick für die Kapitalmärkte 2019. Was macht der DAX, wohin tendieren Technologiewerte und wie wird sich der Handelsstreit zwischen den USA und China entwickeln?

Hier das komplette Interview als Podcast. Das Gespräch wurde am 3. Dezember 2018 aufgezeichnet.

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China und die USA scheinen sich im Handelsstreit angenähert zu haben. Die Börsen steigen, zumindest zeitweise. Friede, Freude, Eierkuchen?
Es wirkt eher wie eine Erleichterungsrallye nach einer Phase sehr schlechter Meldungen. Der Handelskrieg ist noch nicht vom Tisch. Man hat sich gut unterhalten und ist sich offenbar einig, dass man auch in den Verhandlungen weitergehen möchte, aber es ist noch nichts konkret vereinbart worden. Ich bleibe vorsichtig.

Wer sitzt am längeren Hebel? China, das der wichtigste US-Gläubiger ist oder die USA, die sehr viele chinesische Waren kaufen?
Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit, die auch nicht von heute auf morgen aufgelöst werden kann. China kann die Situation derzeit gelassen betrachten. Die chinesischen Staatslenker müssen sich nicht um Wahlen kümmern wie Donald Trump und die Chinesen haben ohnehin den Plan ihre Volkswirtschaft umzubauen, weg von einer exportorientierten Wirtschaft – Werkbank der Welt – hin zu einer stärken Binnenorientierung. Der Anteil der Exporte der Chinesen am Bruttoinlandsprodukte liegt schon jetzt deutlich unter 20 Prozent. China ist durch den Handelskrieg gar nicht so sehr betroffen, wie es sich Donald Trump wünschen würde.

Der amerikanische Kongress hat ein Paket zur Eindämmung der wirtschaftlichen und militärischen Macht Chinas verabschiedet. Wie ist das einzuordnen?
Ich sehe das als Antwort auf Chinas Plan Made in China 2025. Schon 2015 hat China festgelegt, in zehn Zukunftsbranchen die Technologieführerschaft übernehmen zu wollen und 75 bis 80 Prozent der Wertschöpfung in China stattfinden zu lassen. Die Chinesen können diesen Plan sehr stringent verfolgen. Auch das ist ein Grund für den Handelskrieg. Die USA fürchten die Technologieführerschaft in vielen Bereichen zu verlieren.

Angesicht von Sozialpunktesystemen, Korruption und Umweltverschmutzung – hat China überhaupt eine Zukunft?
Ich schätze China als sehr stabil ein. Probleme wie Smog oder Verschuldung werden erkannt und dann sehr konsequent angegangen. Ich glaube auch nicht an dramatisch einbrechende Wachstumsraten, sondern daran, dass sich China zu einer noch größeren wirtschaftlichen und technologischen Macht entwickeln kann.

Kann die Weltwirtschaft die aktuellen Stressfaktoren abstreifen und auf Wachstumskurs bleiben?
Das ist nicht sicher, dass sie auf Wachstumskurs bleibt. Meine Basisannahme ist, dass wir im kommenden Jahr ein robustes globales Wachstum sehen, auch wenn es etwas schwächer ausfallen wird. Schon jetzt sieht man in Europa und in den USA, dass die Wachstumsraten nach unten gehen. Die Gründe sind in den USA der Handelskrieg, aber vor allem die restriktive Geldpolitik – besonders am langen Ende sind die US-Zinsen spürbar angestiegen. Und in Europa und im Rest der Welt ist es der Handelskrieg, der dämpfend wirkt. Die Gefahr ist, dass Europa Ende des nächsten Jahres [A.d.R.: 2019] bei einem Nullwachstum ankommt.

Wie sehr wackelt Italien?
Hier wird es zu einer Einigung im nächsten halben Jahr kommen. Das Risiko ist eher, dass sich in der Zeit bis es dazu kommt, durch die Unsicherheit, die Wirtschaftstätigkeit in Italien nochmals abschwächt.

Glauben Sie an die Reformfähigkeit Europas?
Europa kann das. Die Frage ist eher: Bekommt Europa die Zeit dafür? Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Europa immer dann gewandelt hat, wenn der Druck besonders groß war. Derzeit ist der Druck riesengroß. Ein Katalysator könnte die Europawahl sein.

Wie wird die Europäische Zentralbank im kommenden Jahr agieren?
Sie wird es nicht schaffen eine Leitzinserhöhung durchzusetzen. Eigentlich geht der Markt von einer Leitzinserhöhung im Sommer 2019 aus, was dann, durch die zu erwartende wirtschaftliche Abschwächung, aber kontraproduktiv wäre.

Was wird die amerikanische Notenbank Fed tun? Kann Trump Einfluss nehmen?
Diese Frage stellt sich der Markt derzeit intensiv. Es ist erstaunlich wie aktive Trump Einfluss zu nehmen versucht. Die Fed ist gut darin beraten auf ihre Unabhängigkeit zu pochen. Sie wird es auch tun. In diesem Jahr [A.d.R.: 2018] dürfte es noch eine Leitzinserhöhung geben und dann im kommenden drei Anhebungen. Die Wirtschaft läuft dort gut und der Arbeitsmarkt ist mehr als leergefegt mit 3,7 Prozent Arbeitslosigkeit; dadurch könnte über die Löhne Inflationsdruck entstehen.

Wie sind vor diesem Hintergrund Anleihen-Investments zu sehen, in den USA, in den Schwellenländern und in Europa?
In Europa haben Anleger mit Bundesanleihen aktuell eine reale Negativrendite von zwei Prozent, was nicht für eine Anlage spricht. In gewissen Maßen könnten Anleger in italienische Staatsanleihen investieren. In den USA könnten über die Inflationsentwicklung die Renditen noch mal steigen. Die mehr als drei Prozent Rendite in den USA sind somit nicht risikolos zu haben., zumal noch das Währungsrisiko hinzukommt.

Bleiben Aktien somit die erste Wahl?
Nach wie vor sind Aktien die attraktivste Anlageklasse. Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate sind hier deutsche und europäische Aktien zu bevorzugen, obwohl sich die US-Aktien in den vergangenen acht Jahren nahezu immer besser entwickelt haben. Gegen US-Aktien spricht die restriktive Politik der amerikanischen Notenbank und die Höherbewertung im Vergleich zu europäischen und deutschen Aktien. Im DAX sind schon viele Negativfaktoren eingepreist.

Wie schätzen Sie die Dividenden-Entwicklung ein?
Dieses Jahr gab es wieder Rekord-Dividenden. Das dürfte im kommenden Jahr kaum zu toppen sein. Dennoch bleibt die Dividende – mit gut drei Prozent im DAX – ein wichtiger und gewichtiger Faktor.

Gibt es im Technologie-Segment schon wieder Kaufchancen?
Die großen Technologie-Unternehmen wie Google, Amazon, Apple oder Netflix muss man als Megatrend betrachten. Bei Kursrückgängen kann man diese Titel immer mal wieder einsammeln.

Zum Abschluss, Ihre Prognose für den Öl-Preis, weil dieser immer auch wichtig ist für den Konsum?
Ich gehe von tendenziell steigenden Ölpreise aus, da die Spannungen auf der Angebotsseite hoch bleiben.

… und zusammenfassend, Ihre Anlage- und Wirtschaftswelt 2019?
2019 wird für Kapitalanleger kein einfaches Jahr werden, aber es wäre die falsche Strategie das Geld nur auf dem Konto liegen zu lassen, da dort der reale Kapitalverlust sicher wäre – und nach wie vor bieten die internationalen Aktienmärkte Chancen, die sich Anleger nicht entgehen lassen sollten.

Herr Mumm, vielen Dank für die wunderbaren Einblicke in die Kapitalmärkte.

 Sehr gerne, vielen Dank Ihnen.

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