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Targobank Chefvolkswirt Otmar Lang Interview // Zinsen werden steigen, schnell und deutlich

Otmar Lang, Targo Bank, Chefvolkswirt

Bildquelle: Targo Bank

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, über Nullzinsen, das Sparbuch als Geldanlage zum Anfassen, die Rückkehr des Zinses, Autobahnprivatisierung, warum man Aktien im Depot haben sollte und das Solow Paradox.

Warum lieben die Deutschen ihr Sparbuch, auch wenn es keine Zinsen mehr darauf gibt?
Anders als abstrakte Investmentprodukte gilt das Sparbuch vielen bis heute als eine „Geldanlage zum Anfassen“ – auch wenn es das Buch in dieser Form kaum noch gibt.

Sind Null-Zinsen eine gute Sache?
Nein.

Aber dennoch kam es dazu …
Der Schuldenabbau steht im Vordergrund. Solange das so bleibt, wird an der Nullzins-Politik festgehalten.

Sollten wir uns alle grandios verschulden, angesichts der Zinssätze und, beispielsweise, Immobilien kaufen? Die Schulden werden dann, so sie irgendwann kommt, von der Inflation weggefressen.
Nur weil die Zinsen niedrig sind, sollte man sich keine Immobilie anschaffen. Aber wenn man sowieso eine Immobilie anschaffen wollte, ist der Zeitpunkt natürlich günstig.

EZB-Chef Mario Draghi wird oft die Schuld an den Niedrig-Zinsen gegeben, aber in Japan oder den USA sind die Leitzinsen auch sehr niedrig. Eher ein globales Phänomen?
Das scheint so. Die Frage ist, ob diese Art der Notenbankpolitik Europa zum Vorbild dienen sollte.

Stecken die großen Notenbanken alle „unter einer Decke“ mit ihrer Nullzinspolitik?
Was bleibt ihnen anderes übrig: Obwohl die Befindlichkeiten der Notenbanken höchst unterschiedlich sind, brauchen sie ein gewisses Maß an koordinierter Abstimmung. Nur so lassen sich starke Währungsverwerfungen vermeiden.

Solow Paradox: Warum sinkt global die Produktivität, wo wir doch so viele digitale Revolutionen erleben?
Weil wir möglicherweise das Wachstum falsch berechnen. So fließen etwa Produktivitätsvorteile, die die Digitalisierung mit sich bringt, gar nicht in die Messung  des Sozialprodukts ein.

Warum kommt die globale Konjunktur nicht so recht in Schwung, trotz niedriger Zinsen?
Weil nach wie vor großes Misstrauen gegenüber dem politischen Establishment herrscht – das hat die Wahl von Donald Trump in den USA eindrucksvoll gezeigt. Zudem leiden die Notenbanken in vielen Ländern unter einem starken Verlust ihrer Glaubwürdigkeit.

Hat die Welt nach wie vor ein Staatsschulden-Problem?
Die Welt nicht, aber einige Länder schon. Gerade in Europa spitzt sich die Krise aktuell wieder zu: Wenn EU-Wackelkandidat Italien im Referendum am 4. Dezember gegen die Verfassungsreform stimmt, wird das die Unsicherheit an den ohnehin angespannten Märkten extrem vergrößern. Die Schockwellen könnten in ganz Europa zu spüren sein.

Wie wird man diese Schulden wieder los?
Dafür gibt es drei Rezepte: Sparen oder Nullzinspolitik oder die Kombination aus beidem. Besser wäre jedoch, wenn der Patient gar nicht erst krank würde, zum Beispiel dank einer Wirtschaftspolitik, die das Wachstum nachhaltig fördert. Nur so gewinnt man als so genannter Schuldenstaat das Vertrauen der Investoren zurück – und kann sich dank positiver Ratings wieder über wachsende Einnahmen freuen.

Oder hängen die niedrigen Zinsen und die maue Konjunktur mit einem Spar-Überhang zusammen, der abgeschöpft werden sollte?
Warum sollte man an der Ersparnis rütteln, nur weil Fehler in der Angebotspolitik gemacht wurden?

Werden die Zinsen jemals wieder steigen? Auch Fed-Vorsitzende Janet Yellen zögerte bislang immer wieder.
Ja, und sogar sehr schnell und sehr deutlich – vor allem wenn sich der Markt diese Frage immer wieder stellt. Dann sind bis zu vier Zinsanhebungen der Fed im nächsten Jahr [2017] möglich.

Inflation. Fluch oder doch Segen, wie man nun immer wieder hört? Früher – zu Bundesbank-Zeiten – war Inflation eher verpönt.
Das wird sie auch wieder sein. Ist die Inflation erst wieder da, wird man sie ebenso stark bekämpfen wie derzeit die drohende Deflation.

Gibt es für Staaten eine Schuldengrenze?
Leider nicht.

Warum spart Finanzminister Wolfgang Schäuble oder will Autobahnen privatisieren, wenn er sich für lau verschulden kann?
Immerhin denkt er an die nachfolgenden Generationen.

Warum ist die Aktie in Deutschland so unbeliebt?
Auch 20 Jahre danach haben viele Anleger noch die Verluste mit der „Volksaktie Telekom“ im Hinterkopf. Die Finanzkrise hat zudem dafür gesorgt, dass sich viele Privatanleger bis heute scheuen, ihr Erspartes am Kapitalmarkt zu investieren. Der Boom der ETFs könnte dafür sorgen, dass sich das  wieder ändert. Diese Fonds sind relativ transparent und Anleger können ihre Funktionsweise gut nachvollziehen.

Sollte man dennoch Aktien im Depot haben? Immerhin gibt es teilweise schöne Dividenden-Rendite.
Ja, auf jeden Fall. Davon werden selbst Ihre Enkel noch etwas haben! In diesem unsicheren Umfeld dürften Unternehmen mit einer attraktiven Dividenden-Rendite besonders stark profitieren. Denn ihre Dividenden-Zahlungen sorgen für einen Sicherheitspuffer.

Bank-Aktien [gut, Sie arbeiten bei einer Bank …]?
Bei dieser Frage bin ich natürlich befangen.

Welchen Grund könnte es geben Staats- oder auch Unternehmensanleihen ins Depot zu nehmen?
Der wichtigste Grund ist Diversifikation, aber wir raten derzeit davon ab. Durch die massiven Aufkäufe der Zentralbanken sind die Anleihenpreise so hoch wie nie zuvor in der Geschichte und die Renditen viel zu niedrig. Diese Blase könnte schon bald platzen.

Kann man bei Anleihen noch von einem Markt reden?
Gute Frage. Die Verzerrungen sind so groß, dass man den Begriff zumindest anzweifeln darf.

Sprich: Wo jetzt investieren?!
Zum Beispiel, wie bereits erwähnt, in Aktien und in offene Immobilienfonds. Und renovieren Sie mal wieder Ihr Haus!

 

Bildquelle: Targobank
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