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Philipp Vorndran / Flossbach von Storch // Keine Zinswende bis zur nächsten Währungsreform

Philipp Vorndran Flossbach von Storch

Bildquelle: Flossbach von Storch / Philipp Vorndran (bearbeitet)

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch, zum globalen Handelskonflikt, zu den Auswirkungen der Nullzinspolitik, zur schleichenden Verplanwirtschaftung und den Vorzügen von langfristigen Aktieninvestments.

Müssen wir uns zurzeit um die Weltwirtschaft Sorgen machen?
Wir gehen von einer globalen Abkühlung aus – und keiner Rezession. Möglicherweise ist der Großteil sogar schon gelaufen. Die Auswirkungen auf Deutschland sind dabei allerdings überdurchschnittlich stark, da Deutschland mit seiner Exportwirtschaft besonders auf kräftiges Wachstum in den Schwellenländern und in China angewiesen ist.

China scheint wieder Tritt zu fassen?
China hat von allen großen Volkswirtschaften den größten Handlungsspielraum. Die Notenbank und die Regierung können dort gegensteuern und haben das auch schon getan, mit Erfolg. Für China und die Weltkonjunktur dürfte das ausreichend gewesen sein, für Deutschland und seine Exportindustrie dagegen ist es vermutlich nicht genug.

Und für Donald Trump?
Viele der Argumente, die China und seine Handelspraktiken betreffen, sind durchaus berechtigt. Peking kämpft im Welthandel nach wie vor mit sehr harten Bandagen, weil China noch immer als Entwicklungsland geführt wird – und dadurch mehr Freiheiten hat. Es ist aber definitiv kein Entwicklungsland mehr.

Was sind die Beweggründe Trumps? Fürchtet er eine Vorherrschaft Chinas?
Die Handelspraktiken Chinas und die Erkenntnis, dass der künftige Hegemon China heißen wird. Es geht hier weniger um die Frage, ob es so kommt, sondern nur noch darum, wann es soweit sein wird. Trump hat das erkannt und möchte den Wachwechsel so lange wie möglich hinauszögern. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Konflikt zwischen den USA und China auch mit einem „Deal“ nicht vorbei ist. Es wäre lediglich eine Waffenpause.

Welche Rolle wird Deutschland in dieser globalen Auseinandersetzung spielen?
Leider eine unbedeutende. Eigentlich wäre es die Aufgabe einer funktionierenden EU als Schlichter aufzutreten, aber die EU präsentiert sich derzeit im Ausland in einem wenig überzeugenden Zustand. Auch der Brexit, so der denn kommt, schwächt die EU. Hinzu kommt, dass sich Deutschland aus historischen und wirtschaftlichen Gründen aus der Weltpolitik weitgehend heraushält – und insbesondere gegenüber China sehr moderat auftritt. Die harten und unbeliebten Themen überlässt man lieber Donald Trump.

Ist Deutschlands exportorientiertes Geschäftsmodell noch tragfähig?
Wir produzieren nach wie vor Güter, die es in dieser Qualität offenbar in anderen Ländern nicht so zu kaufen gibt. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die deutschen Unternehmen, trotz aller Hemmnisse, noch leistungsfähig sind. Die Innovationskraft der Unternehmen und auch die Arbeitskraft der Arbeitnehmer sind in manchen Bereichen weltweit noch immer führend. Um die Binnenkonjunktur zu stärken, müsste die Steuern- und Abgabenlast gesenkt werden, damit mehr Netto vom Brutto und so mehr zum Konsumieren bleibt und viele der dringend notwendigen Infrastrukturinvestments getätigt werden.

Wie ist vor diesem Hintergrund der DAX zu beurteilen?
Darüber machen wir uns keine Gedanken. Wir denken weder in Ländern noch in Regionen. Wir schauen nur auf die Qualität der Unternehmen. Deshalb prognostizieren wir auch keine Indexstände. Das ist übrigens auch der große Fehler vieler deutscher Investoren: Sie denken in Indizes, nicht in Unternehmen.

Sind tendenziell überbewertete Unternehmen eher in den USA oder eher in Deutschland zu finden?
Gleich gute Unternehmen aus vergleichbaren Sektoren haben weltweit annähernd die gleiche Bewertung. Der DAX weist deshalb eine niedrigere Bewertung als US-Indizes auf, weil er sehr viel zyklischer und weniger Technologie dominiert ist. Für Technologiewerte mit Wachstumspotenzial sind Anleger bereit eine höhere Bewertung zu zahlen. Wer vor allem in den DAX investiert, gibt einen Großteil der Unternehmen auf, die unsere Welt derzeit so disruptiv machen. Wer in Deutschland arbeitet, seine Altersvorsorge hier hat und vielleicht noch eine Immobilie besitzt, sollte schon allein aus Risikodiversifikationsgründen sein frei verfügbares Einkommen nicht auch noch zum Großteil daheim investieren.

Wie sind die Bewertungsunterschiede beispielsweise zwischen BMW und Tesla zu erklären?
Deutschland ist in der Wahrnehmung der Märkte kein autofreundliches Land mehr. Der Hauptunterschied liegt jedoch in der Wachstumsfantasie, die Tesla in einer zurzeit wachstumsarmen Welt von einigen Marktteilnehmern zugetraut werden. Außerdem hat das Unternehmen, anders als die deutschen Automobilbauer, keine Altlasten – keinen Dieselskandal und keine riesigen Löcher in der Pensionskasse. Aber, die Versprechen der Amerikaner müssen erst noch eingelöst werden.

Gibt es zu Aktien derzeit eine Alternative?
Das ist immer eine Frage des Anlagehorizonts. Wer nicht mindestens sieben bis zehn Jahre Zeit mitbringt, der sollte die Finger von Aktien lassen. Zeit, Geduld und Vertrauen, das sind die Voraussetzungen für erfolgreiches Investieren. Bei einem Zeithorizont von mehr als zehn Jahren gibt es angesichts der gigantischen Differenz zwischen Aktien- und Anleihenrenditen kaum liquide Alternativen. Bei einem Zeithorizont unter drei Jahren gibt es leider keine Alternative zum Sparbuch. Dazwischen bietet sich ein opportunistisch verwaltetes Portfolio aus Unternehmensanleihen an.

Welche Bedeutung haben Dividenden?
Mich interessieren ausschließlich die Gewinnrendite und der freie Cash-flow. Wenn ein Unternehmen mit dem einbehaltenen Gewinn über Investitionen eine höhere Rendite erwirtschaften kann als ich mit meinem Durchschnittsvermögen am Markt, dann bin ich sogar ganz glücklich, wenn das Geld im Unternehmen bleibt und dann wieder über Kursgewinne bei mir landet. Am Ende zählt die Summe aus Dividende und Kursgewinn, die Verteilung ist dann eher eine Frage des persönlichen Geschmacks und Finanzbedarfs.

Sind Zinssteigerungen in Sicht oder müssen wir uns auf Jahrzehnte ohne Zinsen einstellen?
Für die Eurozone ist das nicht in Sicht. Wir sehen keine nennenswerte Zinswende bis zur nächsten Währungsreform.

Ah!
Der Point of no return ist unseres Erachtens längst überschritten. Aber noch eines ist mir wichtig: Bei diesen Zinswende-Szenarien schwingt immer die Furcht mit, die Bewertung von Aktien kippen könnte, sollte das Zinsniveau tatsächlich deutlich zulegen. Höhere Zinsen sind aber längst in den Aktienbewertungen drin – weil die Mehrheit der Investoren zwar inzwischen von dauerhaft tiefen Zinsen spricht, im tiefsten ihres Herzens aber nicht daran glaubt und deshalb auch nicht danach handelt. Und überhaupt, was könnten Gründe für steigende Zinsen sein: nachhaltiges Wachstum und/oder Inflation. Beides wäre nicht das allerschlechteste für die Unternehmensgewinne.

Währungsreform, ein großes Wort. Gibt es da einen Zeithorizont?
Nein, den gibt es nicht, aber so lange es keine Währungsreform gibt, gibt es auch keine Zinsen. Das ist der Trade off. Angesichts der politischen Dimension des Euro wird es kurz- und mittelfristig eher zu einer Lirasierung kommen als zu einer Währungsreform. Die Lirasierung bedeutet tiefe Zinsen und eine Währung, die eher weich als hart ist. Auch das ist ein gewichtiges Argument dafür, größere Teile seines Privatvermögens außerhalb des Euro zu halten.

Dennoch hält sich der Euro, trotz aller Unkenrufe, erstaunlich gut.
Wir haben mit Mario Draghi einen brillanten Notenbanker. Er hat den Euro mit seinem Whatever it takes vorerst gerettet und der Politik immer wieder Zeit verschafft. Aber der Preis dafür ist die Verplanwirtschaftung der Staatsanleihenmärkte, daran werden vor allem wir Deutsche sehr hart zu knabbern haben, weil natürlich die Mehrheit der Deutschen den überwiegenden Teil ihre Altersvorsorge in Zinspapieren hat und wenn da eine Null steht …

Aber der Deutsche ist in der Breite dennoch nicht dazu zu bewegen in Aktien zu investieren?
Der Deutsche ist erzogen worden, bei der Geldanlage zuallererst Steuern sparen zu wollen. Deshalb waren Steuersparmodelle mit Ostimmobilien, Containerschiffen oder ähnlichem in der Vergangenheit auch so beliebt. Wir machen die Deutschen ruckzuck zu Aktionären, wenn wir die Spekulationsfrist, beispielsweise fünf Jahre, wieder einführen. Bei Immobilien gibt es schließlich auch eine solche Spekulationsfrist, wieso nicht auch bei Aktien?

Immobilien-Eigentümer sollten nun vielleicht enteignet werden?
Da wird noch viel Wasser die Spree herunterfließen, aber es zeigt den Immobilien-Anlegern: sie sind bestens erfasst und eben immobil. Mit Aktien ist ein Anleger flexibler und kann mit einer Gewinnrendite von 6,5 bis 7,0 Prozent rechnen, pro Jahr. Das heißt nicht, dass die Aktienkurse jedes Jahr um 6,5 Prozent steigen, das wissen wir alle, aber über einen langen Zeithorizont von 10 bis 20 Jahren eben doch. Die hohe Volatilität wird langfristig entschädigt. In den USA gab es seit 1950 keinen 20-Jahre Zeitraum mehr, in dem die Aktien gefallen sind. Im Durchschnitt wären es Steigerungen von 11,4 Prozent pro jahr, der schlechteste 20-Jahre-Zeitraum brachte es immerhin auf 5,6 Prozent pro Jahr.

Bleibt Gold eine Versicherung?
Bei uns bleibt Gold in den gemischten Mandaten zwischen fünf und zehn Prozent gewichtet, als Versicherung gegen die vorhersehbaren und unvorhersehbaren Risiken des Finanzsystems. Das ist wie eine Brandversicherung. Bei der sagt auch niemand, „Mist, schon wieder nicht gebrannt, ich habe nichts für meine Prämie bekommen“. Keiner von uns würde sich freuen, wenn die Unze Gold morgen bei 5.000 Dollar stünde. Was dann hätte passiert sein müssen, wollen wir uns besser nicht vorstellen.

Könnte die Rückkehr zu mehr Nationalstaatlichkeit eine Krise auslösen?
Nationalismus und Populismus haben wir doch schon. Die Globalisierung hat die Welt zwar insgesamt reicher und gerechter gemacht, aber eben auch Verlierer produziert. Menschen, die den früheren Mittelstand in den USA und Europa gestellt haben. Diese sehen nun Risiken für sich und ihren Wohlstand und wenden sich den Populisten zu.

Ist nicht der Grundgedanke des Kapitalismus, dass es allen ein bisschen besser geht?
Dazu müssen wir auch den Kapitalismus gewähren lassen und nicht ständig neue Felder abstecken, in denen der Kapitalismus nicht in der Lage ist zu wirken. Wenn wir den Anker einer Volkswirtschaft, den Zins, quasi nach sozialistischem Vorbild außer Kraft setzen, dann dürfen wir uns auch nicht darüber beschweren, dass Menschen ihr Geld zunehmend in Immobilien investieren, Wohnraum immer teurer wird und am Ende des Tages die Mieten deutlich steigen. Kurzum: Auch die Nullzinspolitik hat zwei Seiten. Die Nebenwirkungen auf dem Immobilienmarkt, die viele Politiker lauthals beklagen, aber auch und die Freude ihrer Kollegen Kämmerer über die günstigen Refinanzierungskosten. Wir haben heute leider in vielen Bereichen keine marktwirtschaftlichen Strukturen mehr.

Kann die soziale Markwirtschaft die Rettung sein?
Soziale Marktwirtschaft nach heutiger Prägung ist wie halb schwanger sein. Es funktioniert nicht. Man muss sich letztlich für die eine oder andere Komponente entscheiden. Aus der Sozialen Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard, die die Markt-Komponente recht hoch gehalten hat, verschwindet der Markt, und das Soziale wird immer dominierender. Der Trend der vergangenen Jahre hin zu einer Versicherungsgesellschaft, die nur noch den Status Quo erhalten möchte, macht mir zunehmend Sorge.

Vielen Dank für das Interview und die gewonnenen Einsichten.

 

Bildquelle: Flossbach von Storch / Philipp Vorndran (bearbeitet)
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