Plusvisionen

Deutsche, hört auf zu sparen!

Stopp. Schluss. Aus. Wir Deutschen sparen zu viel. In allen Belangen. Der Staat. Die Unternehmer. Wir alle. Der Staat mit seiner Fixierung auf die schwarze Null. Die Unternehmen, die inzwischen eine beachtliche Eigenkapitalausstattung vorweisen können – und natürlich die Sparer, die rund 2 Billionen Euro auf ihren Konten angehäuft haben. Was wollen wir mit all dem Geld? Sind wir einfach glücklich damit, es zu haben? Natürlich haben wir Deutschen Bedenken, das ist einfach so, das ist unsere Mentalität. Auch deswegen sparen wir und sorgen für eine ungewisse Zukunft vor, die freilich auch für andere (Nationen) ungewiss ist, aber für uns ist sie immer noch ein wenig ungewisser. Jammern als Prinzip, gepaart mit Angst. Und da liegen sie nun die vom Konsum abgezwackten 2 Billionen Euro. Die Banken wollen sie nicht mehr haben. Demnächst sind dafür wohl Gebühren fällig, wie für ein Schließfach. Die kleine Skatbank hat damit schon angefangen, für Vermögen ab 500.000 Euro und die Commerzbank zog nun für größere Einlagen nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) will uns Deutschen das Sparen austreiben. Dafür sind ihr alle Mittel recht, auch negative (nominelle) Zinsen, real sind sie ja schon lange negativ und waren es auch schon öfter in der bundesdeutschen Geschichte (siehe Grafik unten).

Natürlich könnte jemand das Geld gebrauchen. Junge Unternehmer etwa, die von der Bank keinen Cent als Kredit mehr bekommen, weil die Banken ihre Bilanzen nach der Krise nach wie vor mit geschenktem EZB-Geld sanieren müssen. Aber geben wir es ihnen? Nein. Bei einer kürzlich von Goldman Sachs TNS Infratest in Auftrag gegebenen Umfrage kam wieder heraus: Jeder Zweite würde auch bei einem Anlagevolumen von 100.000 Euro keinen Cent in Aktien anlegen. 63 Prozent würden auch keine Fonds anfassen. Man lässt das Geld lieber auf dem Konto durch die Inflation (und demnächst vermutlich auch ohne) dahinschmelzen. Wir vertrauen ausgerechnet einer Sparanlage, die hierzulande bereits zweimal vollkommen ausradiert wurde. Was für eine Angst-Paradox. Bei Aktien dagegen sinkt das Risiko nach zehn Jahren Verluste zu erleiden auf nahe Null.

Es wird wahrscheinlich noch ärger kommen und die Zinsen werden noch viel tiefer fallen, so tief, bis wir anfangen zu konsumieren und zu investieren. Warum? Weil der Zins auch ein Preis für das Geld ist. Die Banken wollen/brauchen dafür nichts mehr bezahlen, sie werden von der EZB für lau versorgt. Gebraucht wird es aber in der Wirtschaft und dort gibt es auch höhere Zinsen, 3 bis 4 Prozent Dividendenrendite zum Beispiel. Also raus, kaufen, auch Aktien.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat bereits ein erstes Zeichen gesetzt. Er will 10 Milliarden Euro für Investitionen spendieren, aber er will auch die schwarze Null halten. Auch er sollte deutlich mehr tun. Wir können es uns leisten. Vermutlich müsste Deutschland einige Jahre Haushaltsdefizite in Höhe des Maastricht-Kriteriums oder darüber hinaus der Eurozone gönnen. Wir könnten in die dringend notwendig gewordene Sanierung unserer Infrastruktur investieren (wer hätte sich in den 70er- und 80er Jahre vorstellen können, dass unsere Straßen einmal so aussehen werden?). Ja, die Renditen für Bundesanleihen würden deutlich ansteigen und mit ihnen die Renditen in den anderen Euro-Staaten (aber immer noch auf einem erträglichen Niveau bleiben). Und während wir die Konjunktur in Schwung halten, könnten in Italien oder Frankreich Struktur-Reformen, auch oder gerade mit dem Druck höherer Zinsen, angegangen werden. Wer außer den Deutschen spart schon, wenn es keine Notwendigkeit dazu gibt? So könnte die Dinge wieder ins Lot kommen.

Wie es weitergehen könnte: Bargeld wird abgeschafft

Reale Zinsen in Deutschland: häufig negativ

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