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Ehrlich-Frage // Zinsen – größtes Unglück oder starke Kraft?

Zinsen sind ja eine sehr heikle Angelegenheit und deshalb auch immer wieder Anlass für mehr oder weniger heftige Kontroversen. Das das mag zu einem großen Teil daran liegen, dass der eine sie zahlen muss und der andere sie bekommt. Aber Zinsen wurden immer wieder auch ethisch angezweifelt. Sie galten/gelten als „größtes Unglück“ (Luther), als „widernatürlich“ (Aristoteles) und für Albert Einstein war es in der erweiterten Variante des Zinseszinses wahlweise die „größte Erfindung des menschlichen Geistes“ oder die „stärkste Kraft im Universum“.

Was ist Zins eigentlich? Zins, werden Sie nun sagen, kenne ich nur zu gut. Wenn ich mein Konto überziehe muss ich 13 Prozent berappen. Das ist Zins. Schei … Zins. Ist Zins somit eine Art Preis für das Geld? Nicht wirklich. Zins ist eher ein Preis für Zeit. Wenn Sie ihr Konto überziehen, dann wollen Sie heute nicht auf Konsum verzichten, egal, ob Sie nun das Geld haben oder nicht. Für diese vorgezogene Zeit müssen Sie zahlen, weil ja ein anderer für Ihren Konsum auf seinen Konsum verzichten muss, mithin etwas spart, was dann wieder (an Sie) verliehen werden kann. Oder anders: Der Zins ist Belohnung für denjenigen, der heute auf Konsum verzichtet. Klingt gut und logisch.

Noch nachvollziehbarer wird es, wenn es um Investitionen geht, die häufig viel Geld kosten, was ein Einzelner vielleicht nicht hat. Also wird er versuchen, andere für seine Idee zu gewinnen und bei ihm zu investiere oder ihm Geld zu leihen. Nun mag mancher sagen, ach, das Geld brauche ich grad ohnehin nicht, gebe ich ihm es so, schließlich ist die Idee so wunderbar und macht unser Leben viel leichter und bringt auch Einkommen, für die, die dort Arbeit finden. Aber was, wenn er das Geld nicht mehr zurückzahlen kann? Egal? Nein, auch für dieses Risiko möchten die meisten einen Ausgleich, den Zins. Je höher das Risiko, desto üppiger wird der geforderte Zins ausfallen. Prokon beispielsweise bot 15 Prozent.

Das Kapital wird somit dorthin fließen, wo sich das beste Chance-Risiko-Verhältnis bietet, also in Investitionen, die am aussichtsreichsten erscheinen. Der Zins lenkt somit das Geld in sinnvolle Dinge, er versucht es zumindest.

Und wenn es keinen Zins gibt, so wie derzeit, dann fließt es überall hin? Im Prinzip, ja. Sabine Lautenschläger, die im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) sitzt, hat gerade erst auf die möglichen Kollateralschäden einer lockeren Geldpolitik hingewiesen. Die Risikoscheu könnte reduziert werden, die Gefahr von Vermögensblasen könne wachsen und die Tendenz zu Überschuldung nehme zu. Wenn all das droht, wieso hat dann eben diese EZB die Zinsen auf (fast) Null gesenkt?

Das hat auch damit zu tun, wie unser Geld gemacht wird. Der Großteil unseres Geldes poppt aus dem Nichts auf. Einfach so, durch einen Buchungssatz. Jemand geht zur Bank und sich Geld leiht. Damit wird ihm auf seinem Konto ein Betrag gutgeschrieben — bling, da ist es. Damit leitet die Bank nicht etwa zuvor Erspartes weiter (beziehungsweise nur zu einem kleinen Teil), sondern schöpft in der Regel neues Geld (Fiat-Geld). Fiat wird vom Lateinischen fieri – werden/entstehen – abgeleitet. Geld entsteht heute durch Schulden, ohne Schulden kein neues Geld. Sozusagen eine Doppel-Schuld, da die Bank den Kredit als Verbindlichkeit (gehört ihr nicht) ausweist und auch der Kreditnehmer (muss es an die Bank zurückzahlen, der es eigentlich auch nicht gehört, kurios, aber dazu ein anderes Mal). Übrigens: Geschäftsbanken können das heute fast unbegrenzt machen.

So entstehen immer mehr Schulden, auf die auch Zinsen gezahlt werden – sagen wir einmal – sollten. Nun kommt Einstein und der Zinseszins. Am Anfang sind die Zinsen auf diese Schulden (in ihrer Gesamtheit) kein Problem, aber mit der Zeit werden sie zu einem.

Angenommen ein Land hat 1.000 Euro Schulden (Sie können sich auch 1.000 Millionen denken). Wenn für diese Schulden 4 Prozent Zinsen gezahlt werden müssen, dann wären (ohne Tilgung) nach 10 Jahren für diese 1.000 Euro 1.480 Euro aufzubringen. Nach 50 Jahren wären es schon 7.106 Euro und nach 70 Jahren 15.571 Euro. Man sieht: mit der Zeit entgleitet die Sache. So richtig schlimm wird es allerdings, wenn der Zinssatz steigt, zu Beispiel auf 13 Prozent (Überziehungskredit). Dann sind es nach 10 Jahren 3.395 Euro, nach 50 Jahren 450.736 Euro und nach 70 Jahren 5.193.870 Euro. Sie beginnen vermutlich zu ahnen, warum die EZB angesichts der Verschuldung in der Eurozone die Zinsen drastisch gesenkt hat. Bei einem Zins von 1 Prozent beträgt die Last nach 70 Jahren lediglich 2.007 Euro.

Noch schöner ist es für den Schuldner, wenn die realen Zinsen, also Zins minus Inflation, negativ sind. Beträgt der Zins beispielsweise 1 Prozent und die Inflation 3 Prozent, dann sind die 1.000 Euro nach 70 Jahren nur noch 243 Euro wert. Dumm nur, dass sich in dieser Zeit auch (Ihre) Ersparnisse um diesen Betrag entwertet haben.

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