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E. I. Sturdza-Interview Marc Craquelin // Wall Street scheint immun gegen Handelskrieg

Marc Craquelin, E I Sturdza

Bildquelle: Marc Craquelin E I Sturdza

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Marc Craquelin, Non-Executive Director von E. I. Sturdza Funds zur aktuellen Entwicklung in der internationalen Wirtschaft und deren Folgen für die Kapitalmärkte:

Herr Craquelin, die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China haben sich in den vergangenen Monaten verschlechtert. Was kommt als Nächstes?
Donald Trump befindet sich aktuell in einem hart geführten Handelskrieg mit China, genauso wie mit anderen Staaten. Mit China ist es wahrscheinlich aber noch etwas anderes. Trump erklärte in einer Rede am 21. August, dass China „auf dem Weg war, in kurzer Zeit größer als die USA zu werden; dass dies allerdings nicht mehr geschehen wird“. Dies zeugt davon, dass es sich um mehr als einen Handelskrieg handelt, es könnte um die globale Vormachtstellung gehen.

Vor ein paar Monaten hat China umfangreiche Pläne angekündigt und sie „Made in China 2025“ genannt. Es besteht kein Zweifel daran, dass Chinas Ambitionen, zum Beispiel Weltmarktführer im Bereich der Künstlichen Intelligenz zu werden, für die USA bedrohlich sind.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen, im Falle einer Eskalation des Handelskriegs haben die USA nur einen kurzfristigen Vorteil: Die USA exportieren Waren im Wert von weniger als 150 Milliarden US-Dollar nach China, während sich Chinas Exporte in die USA auf fast 550 Milliarden US-Dollar belaufen. In dem aktuellen Spiel „Auf die Besteuerung meiner Exporte antworte ich mit einer Besteuerung deiner Exporte“ haben die USA einen Vorteil. Langfristig ist es allerdings komplizierter. Schwierigkeiten sind bereits für beide Seiten aufgetreten. Zu nennen sind beispielsweise die Probleme, mit denen amerikanische Sojabohnenbauern zu kämpfen haben. Letztlich wird China daran weiterarbeiten, seine Strategie weniger exportabhängig zu gestalten, indem sie die eigene Wirtschaft mehr auf die chinesischen Konsumenten ausrichtet.

Was bedeutet das für die Aktienmärkte?
Bislang scheint der US-amerikanische Aktienmarkt ziemlich immun zu sein, aber auf Ebene einzelner Aktien sieht es schon anders aus. Seitdem die chinesischen Behörden ein Verkaufsverbot für Produkte von Micron, einem Hersteller von Speicherelementen für Computer, in China verhängt haben, herrscht bei dieser Aktie beispielsweise ein sehr hoher Verkaufsdruck. Andererseits sind auch deutliche Auswirkungen auf dem chinesischen Markt spürbar, denn die Börse ist bis jetzt um 20 Prozent eingebrochen, trotz zeitweiser staatlicher Stabilisierungskäufe. Als erste Reaktion der chinesischen Regierung auf ersten Besteuerungsrunde der USA änderten sie die Zentralbankpolitik. Die chinesische Regierung kürzte die Quoten der Mindestreserven und veranlasste weitere Zinslockerungsmaßnahmen. Daraus resultierte ein Verlust des Yuan von fast zehn Prozent gegenüber dem Dollar.

Welche Aktienmärkte sollten jetzt bevorzugt werden, welche sehen sie als Underperformer?
Seit Ende des Sommers startete der japanische Aktienmarkt mit einer Outperformance. Im Kontext des Handelskriegs zwischen den USA und China kann Japan als Gewinner gesehen werden, da Japan bei diesem Handelskrieg nicht im Blickpunkt Donald Trumps steht. Gleichzeitig hat auch die Rentabilität japanischer Unternehmen neue Höchstwerte erreicht. Hinsichtlich des Großteils des chinesischen Marktes glaube ich, dass die Handelskrise jetzt zum größten Teil eingepreist ist. Der CSI 300-Index notiert mit einem Kurs-Gewinn-Multiplikator von 10,2. Dies erscheint im Hinblick auf den Zehn-Jahres-Durchschnitt von 14 als ziemlich günstig.

Gibt es spezielle Branchen, auf die sie jetzt setzen?
Micron habe ich ja schon genannt, die Aktie hat seit Beginn des Handelskriegs mehr als 25 Prozent verloren. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von fünf ist mehr als attraktiv, auch wenn wir am Ende des Zyklus stehen. Automobilhersteller sowie Autozulieferer sind weitere Sektoren, die unter dem Handelskrieg unverschuldet gelitten haben. Die Aktie von Akwel zum Beispiel, ein kleiner französischer Automobilzulieferer, hat seit Jahresbeginn mehr als 36 Prozent verloren.

Was bedeutet die Entwicklung für die Zinsen in den USA und in Europa?
Eine mittelfristige Konsequenz des Handelskriegs ist eine ansteigende Inflation. Auch der Ölpreis ist bereits stark angestiegen. Dazu beobachten wir deutliche Erhöhungen der Gehälter in den USA. Daher ist es keine große Überraschung, dass die zehnjährige US-Anleiherendite oberhalb von drei Prozent notiert. Wahrscheinlich kommt da auch noch mehr. In Europa haben wir einen nominellen Anstieg deutscher zehnjährigen Bundesanleihen gesehen, aber mit 0,5 Prozent sind wir hier noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Die deutsche und die US-Wirtschaft unterscheiden sich aber voneinander und weisen einen anderen Rhythmus auf. Die Europäische Zentralbank sollte ihre Politik ändern, eine Erhöhung der Zinsen eingeschlossen. Aber ich glaube, dass dies nur sehr langsam geschehen wird.

Besten Dank für das Interview.

Hinweis: Das Interview führte Plusvisionen mit Marc Craquelin am Freitag, den 5. Oktober 2018. Bildquelle: E. I. Sturdza

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