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Adrian Roestel / Huber, Reuss & Kollegen // Trotz Risiken kein Abrutschen in eine Rezession

Roestel Huber Reuss

Bildquelle: Huber Reuss

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Adrian Roestel, Leiter Portfoliomanagement bei Huber, Reuss & Kollegen zur Situation der Weltwirtschaft, dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA und den möglichen Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Außerdem: Welchen Stellenwert haben ESG-konforme Investments für einen Vermögensverwalter?

Besteht Sorge um die Weltwirtschaft im kommenden Jahr? Droht gar eine Rezession?
Sorgen um die Weltwirtschaft gibt es schon – man denke nur an den schwelenden Handelskonflikt. Ein Abrutschen in eine Rezession ist aber nicht zu erwarten, weil der starke Konsument und der stabil wachsende globale Dienstleistungssektor dies verhindern.

Was sind Risikofaktoren?
Es gibt zwei große Risikofaktoren. Zum einen eine Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China, was unseres Erachtens aber nicht zu erwarten ist, da beiden Seiten an einer Beilegung des Konflikts gelegen ist. Insbesondere US-Präsident Donald Trump kann sich im Jahr der Präsidentschaftswahl keine schwächere US-Wirtschaft erlauben. Daher gehen wir davon aus, dass sich der Zoll- und Handelskonflikt weiter entspannt. Zum anderen ist wichtig, dass die momentan vorhandene Schwäche im globalen Industriesektor nicht auf den für Wachstum und Beschäftigung ungleich wichtigeren Dienstleistungssektor überschwappt.

Sind Zinssteigerungen zu erwarten?
Nein, zumindest nicht in relevanter Form. Die Verschuldung vieler Länder und vor allem auch vieler Unternehmen ist auf Rekordhoch. Da wären höhere Zinsen Gift.

Ein wichtiges Ereignis 2020 werden die US-Präsidentschaftswahlen sein. Wie wird die Börse darauf reagieren?
Sehr negativ wäre, wenn einer der relativ weit links stehenden demokratischen oder parteilosen Bewerber wie Elizabeth Warren oder Bernie Sanders die Wahl gewinnen würde. Beide stehen unter anderem für Steuererhöhungen und eine strengere Regulierung. Die Börsen würden sehr schnell darauf reagieren und ein sich verschlechterndes wirtschaftliches Umfeld einpreisen, Kursverluste wären die Folge.

Was ist von Donald Trump zu erwarten, mal ganz abgesehen von einem Amtsenthebungsverfahren? Wird er außenpolitisch um sich schlagen?
Bei der Wahl des Präsidenten steht für die US-Bürger die Verfassung der Wirtschaft an erster Stelle. Für viele Wähler ist entscheidend, ob es genügend Jobs gibt. Um seine Wiederwahl zu sichern wird Donald Trump daher alles unternehmen, damit die konjunkturelle Situation mit einer historisch niedrigen Arbeitslosenrate auch 2020 Bestand hat.

Trump wird vor der Wahl weder zurücktreten noch wird es ein erfolgreiches Impeachment geben – selbst wenn allen klar ist, dass er sein Amt missbraucht hat. Für den Erfolg braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im republikanisch dominierten Senat. Die Republikaner werden ihrem einzigen Kandidaten im Wahljahr nicht in den Rücken fallen. Je stärker Trump jedoch innenpolitisch unter Druck gerät, desto wahrscheinlicher wird er zumindest eine temporäre Lösung im Handelsstreit anstreben, um von diesen persönlichen Fehltritten abzulenken.

Wie könnte ein sich abzeichnender Sieg eines demokratischen Kandidaten, zum Beispiel Michael Bloomberg, auf die Börse auswirken?
Bloomberg ist der wirtschaftsfreundlichste Kandidat unter dem demokratischen Präsidentschaftsanwärtern. Insofern dürften Investoren eine Wahl Bloombergs tendenziell begrüßen. Allerdings ist es aus jetziger Sicht eher unwahrscheinlich, dass er die Vorwahlen bei den Demokraten gewinnen und somit als US-Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen wird.

Könnte China wieder zur Lokomotive für die Weltwirtschaft werden – oder werden sich die Wachstumsraten weiter abschwächen?
China ist bereits eine Lokomotive für die Weltwirtschaft. Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Wachstumsraten weiter abschwächen. Kurzfristig verhindern hohe Verschuldung und das nach wie vor starke Gewicht des Industriesektors eine schnelle Rückkehr zu höherem Wachstum. Mittelfristig dürfte die Dynamik indes wieder zunehmen.

China als neuer Hegemon – ein Thema, das auch einen möglichen neuen US-Präsidenten beschäftigen dürfte?
Absolut. Allerdings wird diese Thematik nicht nur einen möglichen neuen US-Präsidenten beschäftigen, sondern uns alle. Und zwar für die kommenden Dekaden.

Werden die Aktienmärkte 2020 vorsichtig und schwankungsanfällig bleiben, trotz nach wie vor reichlich vorhandener Liquidität?
Schwankungsanfällig auf jeden Fall. Aufgrund der anhaltend ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken und der Tatsache, dass Kapital keinen Preis mehr hat, werden auch 2020 jenseits der Aktienmärkte attraktive Anlagealternativen Mangelware sein. Da zudem Entwicklungen wie die Digitalisierung ganzer Branchen oder der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz – KI – effizienzsteigernd wirken, sind die Chancen für ein gutes Aktienjahr 2020 gegeben.

Geht die Erfolgsgeschichte der Wachstums- und Technologiewerte weiter oder könnte die Börse das Bedürfnis nach mehr Werthaltigkeit entwickeln und auch Value-Papiere wieder in den Fokus nehmen.
Die Frage ist ja, was ist Value? Technologiekonzerne, die relativ günstig bewertet sind, sind per Definition auch Valuewerte. Insofern lässt sich das pauschal schwer beantworten. Wir gehen aber schon davon aus, dass Wachstums- und Technologiewerte aufgrund der Dynamik in vielen Technologiebranchen attraktiv bleiben.

Welche Rolle werden ESG-Investments, also Anlagen, bei denen Umweltschutz sowie soziale und ethische Aspekte einen hohen Stellenwert haben, 2020 spielen?
ESG-Kriterien spielen schon jetzt bei vielen institutionellen Investoren eine große Rolle. Dieser Stellenwert wird weiter zunehmen und dazu führen, dass das Kapital nicht-ESG-konforme Unternehmen scheut und stattdessen tendenziell in grüne Titel fließt. Zudem werden sich die Unternehmen selbst ESG-konform ausrichten und sich von ungeliebten Sparten trennen.

Bildquelle: Huber, Reuss & Kollegen
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