Plusvisionen

Deflationsgespenst in der Eurozone

Nichts mögen Notenbanker so wenig wie fallende Preise. Deflation ist die kleine Schwester von Depression. Das ist die Furcht. Kommt erst die Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und schwindendem Wirtschaftswachstum in Gang, ist diese nur schwer zu stoppen. Japan laboriert bereits seit einem viertel Jahrhundert an seinen deflatorischen Tendenzen herum, mit wechselndem Erfolg.

Nun die Überraschung: Die Preise in der Eurozone sind im Oktober um lediglich 0,7 Prozent gestiegen. 1,1 Prozent hatten die Volkswirte vorhergesagt. Die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt bei rund 2 Prozent.

Der Hintergedanke: Die Preise sollen ruhig ein wenig steigen, das regt den Konsum an, weil jeder ja mit demnächst noch höheren Preisen rechnet, also wird jetzt gekauft. Umgekehrt, wenn all von fallenden Preisen ausgehen, wird mit Anschaffungen gezögert.

Die geringe Preissteigerung ist umso erstaunlicher, da in einigen Südländern der Eurozone Steuern erhöht wurden.

EZB-Chef Mario Draghi hat sofort gehandelt und die Leitzinsen auf 0,25 Prozent gesenkt. Deflation ist mit dem EZB-Mandat ebenso wenig vereinbar wie eine zu hohe Inflation (steigende Preise).

An der Börse löst das ein Kursfeuerwerk von gut 100 Punkten Plus im DAX aus.

Die Situation in der Eurozone bleibt kniffelig: Eigentlich sind fallende Preise genau das, was die Länder an der Südflanke brauchen, um an den Weltmärkten wieder wettbewerbsfähig zu werden. Sparen und Kürzen führt zu Deflation: Löhne sinken, Häuserpreise fallen, Konsumartikel werden günstiger … Irgendwann sollte so ein niedriges Niveau erreicht sein, dass ein Land auf den Weltmärkten wieder absetzen kann.

Die Alternative zu einer realen Abwertung (Deflation), eine Währungsabwertung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, ist durch den Euro ausgeschlossen.

Andererseits braucht die Eurozone Wachstum, um aus den Schulden herauszukommen. Darauf zielt die EZB wohl vor allem, sie will die Stimmung verbessern. Ob eine Leitzinssenkung auf diesem schon sehr niedrigen Niveau überhaupt noch wirtschaftlich durchschlägt, muss ohnehin abgewartet werden.

Im DAX sieht es so aus, als ginge das Freudenfest weiter. Offenbar rechnet die Börse mit noch mehr von der EZB in den kommenden Monaten. Geld verschenkt sie schon jetzt. In Zukunft vielleicht noch mehr.

 

Bildquelle: Europäische Zentralbank (EZB) [bearbeitet]

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