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„Eine Zins-Wende ohne Risiko gibt es nicht“ // Michael Heise, Chefvolkswirt Allianz Gruppe

Michael Heise, Allianz, Chefvolkswirt

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz Gruppe. Plusvisionen.de hat ihn am Rande der Jahrestagung des Münchner Finance Forums getroffen und mit ihm über globale Vermögensungleichgewichte, ein mögliche Zinserhöhung in den USA und die Gefahren für die Weltwirtschaft gesprochen [Podcast zum Nachhören finden Sie unten].

Laut dem Allianz Global Wealth Report 2015 ist das globale Geldvermögen 2014 um 7,1 Prozent auf 135,7 Billionen Euro gewachsen. Auch bei Nullzinsen scheinen die Renditen zu stimmen?
Das Geldvermögen ist wirklich sehr kräftig gewachsen, was hauptsächlich aus einer hohen Spartätigkeit der Privathaushalte resultiert. Das Sparverhalten ist global sehr unterschiedlich, aber insbesondere hier in Europa ist wieder viel auf die hohe Kante gelegt worden. Die geringen Renditen haben das Gesamtbild dabei nicht bestimmen können, im Gegenteil. Die Renditen sind niedrig und das veranlasst viele Leute noch mehr zu sparen. Viele sind in Sorge, dass ihre Altersvorsorgevermögen nicht ausreichen und sich nicht richtig verzinsen – und ziehen die richtige Schlussfolgerung, dass sie aus ihrem Einkommen doch größere Teile zurücklegen müssen.

Könnte man verkürzt sagen: Die Anti-Deflationspolitik der Notenbanken provoziert Deflation?
Sie provoziert vielleicht nicht Deflation, aber sie führt nicht zu dem Ergebnis, dass die Konsumquoten deutlich ansteigen, wir mehr Nachfrage und damit auch mehr Inflation bekommen. Die Politik ist nicht deflationär, aber sie erreicht auch nicht das Ziel einer Re-Inflationierung.

Auf 71 Prozent der Gesamtbevölkerung – 3,5 Milliarden Menschen – entfallen weniger als 5 Prozent des Vermögens. Knapp 10 Prozent besitzen dagegen rund 80 Prozent. Ein Problem für die 71 Prozent?
In manchen Regionen der Welt hat sich der Vermögensaufbau in den vergangenen Jahren sehr beschleunigt. Insbesondere asiatische Länder partizipieren stärker am weltweiten Vermögensaufbau beziehungsweise treiben diesen voran. Das Wachstum in diesen Ländern holt viele Menschen aus der Armut und führt zu einer größer werdenden Mittelschicht. Hier haben sich erhebliche Verbesserungen gezeigt. Richtig ist aber auch, dass die Vermögensverteilung weltweit sehr ungleichgewichtig ist. Das 3,5 Milliarden Menschen wenig oder gar nichts besitzen ist auch ein Problem für die oberen 10 Prozent, weil das natürlich zu starken Migrationsbewegungen führt, die wir jetzt schon sehen, die aber durchaus noch zunehmen können, wenn sich an dieser Vermögensverteilung nichts ändert.

Die globalen Staatsschulden liegen bei 46,2 Billionen Euro. Die Vermögen bei 135,7 Billionen Euro. Wie groß ist die Versuchung …?
Die Versuchung ist leider sehr groß, das sehen wir allenthalben. Die Finanzierungspapiere der Staaten werden bei der Regulierung von Banken und Versicherungen schon heute bessergestellt.  Auch kommen in der politischen Debatte immer wieder Vorschläge zur höheren Vermögensbesteuerung auf. Für die Regierungen ist es immer einfacher, Steuern zu erhöhen, anstatt Ausgaben einzuschränken. Es wäre aber der völlig falsche Weg. Wirtschaftliche Prozesse werden dadurch eher verlangsamt. Das kann nicht die Lösung sein. Der Staat muss seine Ausgabenseite anpassen.

Wo sehen Sie das größte Gefahren-Potenzial für die Weltwirtschaft? USA, Eurozone, China oder Japan?
Die akuten Gefahren sind derzeit nicht in den Verteilungsfragen zu sehen, die eher mittelfristige Brisanz haben. Allerdings ist die Ungleichverteilung in den USA dort bereits eine Bremse für das Wachstum. Akute Gefahren liegen eher darin, dass Chinas Wachstum sich noch deutlicher verlangsamt, als es jetzt den Anschein hat. Überdies besteht das Risiko negativer Finanzmarktreaktionen bei der anstehenden Zinswende der amerikanischen Notenbank…

Wird diese kommen?
Sie wird kommen, ich glaube, sie muss kommen. Den idealen Zeitpunkt dafür gibt es nie. Und eine Zinswende ohne Risiken gibt es auch nicht, aber wir können keine Politik betreiben – und auch die Amerikaner werden das nicht tun –, welche die Märke sich ewig an diese Medizin der Nullzinsen gewöhnen lässt. Je länger man wartet, desto folgenreicher wird der Ausstieg. Deswegen ist es an der Zeit, dass man wieder eine Normalisierung herbeiführt.

Die Abenomics in Japan sind …
… ein Strohfeuer.

Die Eurokrise wird
… nicht wieder aufflammen. Die Eurokrise ist hinter uns. Und die Erholung der Länder stabilisiert sich.

Podcast des gesamten Interviews [entschuldigen Sie die Nebengeräusche]:

https://www.plusvisionen.de/wordpress/wp-content/uploads/Heise_091015.mp3?_=1

 

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Bildquelle: Allianz

 

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