Plusvisionen

Rocket Internet-Aktie / Börsengang // Samwer over the Rainbow

Quelle: Rocket Internet

Den Code knacken. “As we cracked the code and the complexity of our markets“, als das Rätsel der Märkte entschlüsselt war,“ genossen wir höhere Margen, höhere Marktanteile und bessere Netzwerkeffekte“. Es ist das erste Gebot von Oliver Samwer, einer der drei Gründerbrüder von Rocket Internet, im Erfolgsevangelium der Industrialisierung des Internets. Darum geht es im Kern bei Rocket Internet, der Kopieranstalt des Webs. Rocket Internet sucht nach „Proven Businessmodels“, wie sie sagen, man könnte auch behaupten, das Unternehmen baut Bewährtes einfach nach. Andere meinen, es kupfere ab. Wer geniale Tüftler in der Garage sucht, die etwas völlig Neues auf den Markt bringen wollen, wird bei Rocket Internet auf jeden Fall enttäuscht.

Egal, die Leistung des Berliner Unternehmens ist eine andere. Rocket Internet hat das Klonen von Firmen perfektioniert. Die Firma ist „Plattform“, wie es in der Unternehmenspräsentation heißt. Nicht Investor, sondern „Builder“, in der Sprache der Start-up-Szene auch Inkubator genannt. Rocket sieht sich Ideen an, analysiert diese und zieht das Geschäft hoch, schnell und effizient, sofern das Modell schon in einem anderen Markt funktioniert. Dabei bedient man sich aus dem unternehmenseigenen Firmenbaukasten aus Infrastruktur, Prozessmanagement, Technologie und Netzwerk. Hinzu kommt ein eingespieltes Team; es weiß, was es tut, weil das Procedere schon hundertfach durchlaufen wurde. Jeder Handgriff sitzt. Firmen vom Fließband. Nichts Neues, aber proven eben.

Rocket Internet sammelt Wissen und Erfahrungen, wie man Unternehmen schnörkellos auf den Markt bringt, das ist das eigentliche Kapital des Unternehmens. So ist Rocket Internet derzeit mit rund 300 Firmen und im Wesentlichen 3 Geschäftsmodellen (eCommerce, FinTech, Marketplaces) in 116 Ländern tätig. Es geht um die Megatrends Mobilität und Smartphone. Von überall aus alles erledigen können, Shoppen, Bankgeschäfte oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Und es geht um Wachstum, vor allem um Wachstum. Profit kommt wohl erst später, viel später, vielleicht. Es scheint das zweite Gebot im Samwer-Evangelium zu sein: „Nahezu alle unsere Unternehmen weisen eine begrenzte Historie ihrer Geschäftstätigkeit auf, machen derzeit bedeutende Verluste und verfügen über einen negativen operativen Kapitalfluss, erfordern einen hohen Kapitaleinsatz und werden möglicherweise nie gewinnbringend oder zahlungsmittelgenerierend sein.“ Es klingt fast wie eine Höchststrafe für einen, der sich an einem solchen Unternehmen beteiligen will. Aber der Satz steht im Börsenprospekt von Rocket Internet, also in jenem Kompendium, in dem das Unternehmen über seinen Börsengang informieren will.

Die „Proven Winners“, die Unternehmen, die bei Rocket Internet am weitesten fortgeschritten sind, weisen 2013 konsequenterweise auch einen Verlust von 442 Millionen Euro aus. In den Büchern stehen sie mit einem letzten Portfoliowert (LPV) von 4.473 Millionen Euro und anteilsgewichtet mit 1.256 Millionen Euro. Die Verluste kosten und so verbrennt Rocket Internet, reichlich Geld, um das Wachstum anzufeuern. Der Cash flow war 2013 mit 38,9 Millionen Euro negativ. Im Sechsmonatszeitraum bis Juni 2014 stieg der negative Cash flow auf minus 55,5 Millionen Euro an. In der gleichen Zeit schmolzen die Finanzmittel von 437,4 auf 80,5 Millionen Euro. Das Anlagevermögen nahm in dieser Zeit jedoch nicht zu, im Gegenteil, es schrumpfte mit.

Wenigstens die Umsätze von Rocket Internet kletterten. 2013 betrugen sie 72,5 Millionen Euro, im ersten Halbjahr 2014 waren es dann 47 Millionen Euro. Bei Konzernergebnis war die Dynamik eine umgekehrte. 2013 erzielte Rocket Internet noch einen Überschuss von 174,2 Millionen Euro, was auf den Verkauf einer Zalando-Beteiligung (65,9 Millionen Euro) und Eigenkapitalfinanzierungsrunden (199,9 Millionen Euro) zurückzuführen ist, war es im ersten Halbjahr 2014 schon ein Fehlbetrag von 13,3 Millionen Euro, plus Vorabausschüttung an die Aktionäre kam ein Minus von 238,8 Millionen Euro zusammen.

Beim IPO (Initial Public Offering – Börsengang) bot das Unternehmen seine Aktien zu einem Preis von 42,50 Euro an. Damit hat Rocket Internet rund 1,50 Milliarden Euro eingenommen. Sehr stattliche Zahlen. Mit dem frischen Geld soll der Kapitalhunger gestillt, neue Beteiligungen gekauft und alte aufgestockt werden, damit diese auch in die Bilanz einfließen können (Konsolidierung), was sie derzeit vielfach nicht tun. Später könnte man weitere Beteiligungen an die Börse bringen und damit verdienen. Momentan kommen die Proven Winners auf Umsätze von 755 Millionen Euro. Das ist die Wette: Schafft es Rocket Internet auch künftig Wachstumsfeder auszumachen und dort effizient geklonte Unternehmen zu platzieren. Und: Diese müssen auch – bevor das Geld ausgeht – Gewinne abwerfen, damit Rocket Internet entweder selbst verdient oder beim Verkauf der Beteiligung ihren Reibach machen kann. Als Rücklage fürs Alter ist die Rocket-Internet-Aktie somit eher nicht geeignet. Aktuell notiert die Aktie mit 35,40 Euro deutlich unter dem Ausgabekurs. Aber auch zu diesem Preis ist Rocket Internet an der Börse noch mit 5,8 Milliarden Euro bewertet.

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Bildquelle: Rocket Internet
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