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Interview Rüdiger A. Günther – Francotyp-Postalia // Richtige Strategie im Machtkampf

Ruediger Andreas Guenther Francotyp-Postalia

Bildquelle: Rüdiger Andreas Günther, Francotyp Postalia

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Rüdiger Andreas Günther, Vorstandsvorsitzender von Francotyp-Postalia (FP) [Plusvisionen hat kürzlich hier berichtet], einem seit knapp 100 Jahren bestehenden deutschen Produzenten von Frankier- und Kuvertiermaschinen, der sich in den letzten Jahren erfolgreich zum Experten für sicheres Mail-Business und sichere digitale Kommunikationsprozesse entwickelt hat.

Günther will im Kerngeschäft weitere Marktanteile gewinnen und mit dem Act-Projekt Jump Kosten einsparen. Dem neuen Großaktionär Obotritia Capital, der inzwischen 28,01 Prozent an Francotyp-Postalia hält und das Investmentvehikel des aktivistischen Investors Rolf Elgeti ist, scheint diese Strategie nicht zu behagen. Er möchte Günther ablösen. Grund genug nachzufragen.

Im vergangenen Geschäftsjahr konnte FP den Umsatz leicht und den Betriebsgewinn – Ebitda – deutlich steigern. Der freie Cash Flow liegt auf Vorjahresniveau. Sind Sie zufrieden?
Ja sind wir, da wir unsere Ziele wie versprochen erreicht haben, es könnte natürlich immer besser sein. Vor allem unsere deutliche Gewinnsteigerung unterstreicht eindeutig, dass unsere vor zwei Jahren gestartete Act-Strategie für nachhaltig profitables Wachstum greift. Wir konnten, entgegen dem Wettbewerbstrend im traditionellen Frankiermaschinengeschäft wachsen, während unsere beiden größeren Wettbewerber sowohl Umsätze als auch Marktanteile verlieren.

Unser US-Wettbewerber, der weltgrößte Hersteller von Frankiermaschinen musste gerade erst zum wiederholten Male Umsatzrückgänge im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich verkünden. Wir greifen weiterhin im Kerngeschäft an, sichern uns dadurch hohe wiederkehrende Umsätze und damit einen weiterhin starken Cash-flow.

Diesen investieren wir vor allem in die neuen digitalen Projekte, wie zum Beispiel IOT. Jump, unser Projekt für mehr Kosteneffizienz trägt ebenfalls zunehmend Früchte. Die Organisation wird schlagkräftiger ausgerichtet, nicht vertriebsbezogene Aufgaben werden zentralisiert, und Kosten reduziert. Unsere Tochtergesellschaften können sich somit rein auf den Vertrieb konzentrieren, und unsere Produkte, wie z.B. das jüngst erfolgreich eingeführte digitale PostBase Vision-Frankiersystem vertreiben.

Sicher, unsere strategische Weiterentwicklung könnte immer schneller gehen, aber gerade in der aktuellen Corona-belasteten Zeit zeigt sich doch, dass nachhaltig ausgerichtete Geschäftsmodelle wieder mehr „en vogue“ sind. Dies propagiert zum Beispiel aktuell auch Larry Fink von Blackrock. Wir sehen uns allen Stakeholdern verpflichtet, und wollen dem mit unserer Act-Strategie auch nachkommen.

Sie planen, auf der Hauptversammlung am 17. Juni vorzuschlagen, keine Dividende auszuschütten. Was sind die Gründe dafür? Glauben Sie, dass die Aktionäre diesen Schritt nachvollziehen können?
In Zeiten von Corona sehen wir es als zentrale Aufgabe, die Liquidität des Unternehmens zu schonen. Wir befinden uns damit in guter Gesellschaft mit einer Vielzahl börsengelisteter Gesellschaften weltweit. Wir führen kontinuierlich intensive Gespräche mit unseren Investoren, und konnten seit der Ankündigung Ende März, bislang kein Wort der Kritik hierzu vernehmen. Grundsätzlich sehen wir uns aber unverändert als Dividenden-Wert und wollen so schnell wie möglich wieder unsere Aktionäre an unserem Erfolg teilhaben lassen!

Wie ist Ihr Ausblick auf das laufende Jahr? Welchen Einfluss hat Corona auf die Geschäftsentwicklung von FP?
Unser Geschäftsmodell ist recht robust. Dennoch befassen wir uns sehr intensiv mit den Auswirkungen von Corona und den Möglichkeiten, zeitnah gegenzusteuern. Hierbei stehen die Gesundheit unserer Mitarbeiter und unserer Kunden an oberster Stelle. Dementsprechend haben wir eine Vielzahl von Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um Risiken zu minimieren.

Wie alle produzierenden Unternehmen verspüren wir in einigen Bereichen vereinzelt Kaufzurückhaltung, aufgrund des hohen Anteils an wiederkehrenden Erträgen sind wir aber krisenresistenter als viele andere. Auch zahlt es sich hinsichtlich der Lieferfähigkeit aus, dass wir weiterhin auf unsere eigenen Produktionskapazitäten in Deutschland setzen.

Auch der Trend zur Digitalisierung kommt uns entgegen. Wir sehen uns hier mit unseren Produkten, insbesondere FP Sign, einer hochsicheren digitalen Signaturlösung oder im IOT/IIoT-Bereich mit den FP Secure Gateways, gut positioniert. Unsere Tochter FP IAB, die Hybride Postdienstleistungen wie zum Beispiel TransACTmail anbietet, profitiert sogar vom aktuellen Umfeld.

Detaillierte Aussagen zu den Auswirkungen auf 2020, beispielsweise in Form einer Guidance, werden wir voraussichtlich erst dann geben können, wenn insbesondere über die Zeitdauer der Corona-Krise mehr Klarheit besteht. Wir haben aber bereits umfassende Maßnahmen wie zum Beispiel Kurzarbeit oder Working Capital-Optimierungen eingeleitet, um unsere Profitabilität und die Liquidität des Konzerns zu sichern.

Was versprechen Sie sich von der Umsetzung des strategischen Projekts Jump?
Im Fokus steht die Optimierung von Prozessen hinsichtlich Beschleunigung und Kostenreduzierung, und damit ein nachhaltig positiver Einfluss auf das Konzern-Ebitda. Darüber hinaus wird das Unternehmen hierdurch auch in die Lage gebracht, zukünftig geplante Akquisitionen effizienter zu integrieren.

Sie setzen weiter auf das einträgliche Frankiermaschinengeschäft, das derzeit rund 70 Prozent des Umsatzes von FP ausmacht. Kürzlich haben Sie Hefter Systemform, ein Vertriebsunternehmen für Postbearbeitungsmaschinen, übernommen und haben Ihr neues Flaggschiff, die PostBase Vision, in den USA und Deutschland eingeführt. Was ist der Reiz dieses Geschäfts und wird es dieses noch lange geben?
Das traditionelle Postgeschäft wurde schon mehrfach totgesagt. Der Briefmarkt sinkt und man kann hier angeblich weder profitabel arbeiten, noch Marktanteile gewinnen. Wir widerlegen diese Behauptungen Quartal für Quartal mittlerweile zum 14. Mal in Folge. Für unser Frankiergeschäft sprechen sein oligopolistischer Charakter, die hohen Eintrittsbarrieren, und damit verbunden der hohe Anteil an stabilen Cash-flows. Wir wollen, auch in einem langsam schrumpfenden Markt, unsere Profitabilität weiter steigern, und uns für andere digitale Produkte und Services frühzeitig positionieren.

Und was ist mit der Digitalisierung? Wie wollen Sie FP hier positionieren? Einen Bereich Software/Digital gibt es bereits. Welchen Umsatzanteil hat dieser und wie stark ist das Wachstum?
Im Bereich Software/Digital sind unsere IOT- und Digitalsignaturaktivitäten, sowie unsere Hybrid Mail-Aktivitäten enthalten. In allen drei Arbeitsgebieten steht der weltweite Markt vor immensem Wachstum. Sicherheit, sowohl in der Kommunikation, aber auch in der Steuerung, zum Beispiel im Bereich Energiemanagement, Fertigungstechnik und Smart Cities, werden zunehmend wichtiger. Industrie 4.0 ist hier das Schlagwort. Unsere Töchter zeigen daher auch während der aktuellen Corona-Krise einen stabilen Geschäftsverlauf, was bestätigt, dass wir unsere Kunden auf ihrem Weg in die digitale Zukunft erfolgreich unterstützen.

FP ist an der Börse derzeit zu einem Preis von rund 50 Millionen Euro gehandelt. Das Eigenkapital beträgt 34 Millionen Euro und es gibt eine Liquiditätsreserve von 31 Millionen Euro. Das Nettoergebnis stagniert. Sind Sie mit der Börsenbewertung zufrieden?
Ganz klar: nein. Wenn Sie allein die Kundenbasis unseres Frankiergeschäftes nehmen und mit marktüblichen Wertmaßstäben betrachten, müsste, konservativ gerechnet, alleine dieser Bereich deutlich mehr Wert sein. Hinzu kommt das enorme Potential aus den Bereichen IOT und digitale Signaturen wie FP Sign, beides Bereiche, die über die nächsten Jahre ein enormes Wachstum erfahren werden.

Schließlich kommt noch unsere gute Profitabilität hinzu. Würde man die Multiples unserer Wettbewerber – die seit Jahren an Umsatz und Profitabilität im Kernbereich verlieren – auf unser Ebitda ansetzen, müsste der Betrag noch höher sein.

Wie wollen Sie den Börsenkurs nach oben bekommen?
Liefern, liefern, liefern und dies nachhaltig. Auch das Thema Investor Relations werden wir weiter ausbauen, zukünftig werden wir auch noch stärker unsere neuen Aktivitäten in den Vordergrund rücken.

Der aktivistische Investor Obotritia Capital, dahinter steht Rolf Elgeti, hat sich inzwischen gut 28 Prozent – knapp unter der 30-Prozent-Schwelle zum Pflichtangebot – an Francotyp-Postalia gesichert und betreibt Ihre Ablösung. Warum könnte Elgeti unzufrieden mit Ihrer Arbeit sein?
Das müssen Sie ihn selbst fragen. Nach seiner diesbezüglichen Meldung Anfang Februar 2020 haben wir leider nichts mehr von ihm gehört. Dabei würden wir uns über nachhaltige Verbesserungsvorschläge freuen und sind immer bereit zum Dialog. Wir sprechen gerne mit ihm, konstruktiv und zum Wohle unseres Unternehmens, aller Stakeholder und – vor allem – unserer Mitarbeiter.

Bis kürzlich stand der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Röhrig, über Active Ownership zu 9,5 Prozent selbst an Francotyp-Postalia beteiligt, hinter Ihnen. Ihr Vertrag läuft noch bis Ende 2022. Am 13. Februar wurde Carsten Lind zum 1. Juni in den Vorstand berufen. Er ist als Ihr Nachfolger geplant. Ihren wurde ein Aufhebungsvertrag angeboten. Werden Sie Ihren Stuhl räumen?
Der Aufsichtsrat hat meinen Vertrag im Mai 2019 einstimmig um vier Jahre verlängert. Wie erwähnt sind wir voll auf Kurs und der Kapitän wird das Schiff nicht bei einem ersten Sturm verlassen, zumal in der aktuell herausfordernden Corona-geprägten Zeit. Ich sehe es als meine Verpflichtung, insbesondere auch in der Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern und allen anderen Aktionären an, meinen Vertrag zu erfüllen. Dies wird auch von unseren Sozialpartnern und was aktuell sehr wichtig ist auch von unseren Bankpartnern kontinuierlich gefordert.

Carsten Lind kommt von Bavaria Industries, die vom Hauptkonkurrenten Pitney Bowes aus den USA dessen Aktivitäten in der Schweiz, Italien und Skandinavien erworben haben. Soll vielleicht FP diese Teile übernehmen oder gar selbst vom US-Konkurrenten übernommen werden?
Nein, wir sehen deutlich attraktivere Investitionsmöglichkeiten, um organisch, aber auch durch andere Akquisitionen –zu wachsen. Eine Übernahme oder Zerschlagung unseres Unternehmens halte ich für kontraproduktiv und schädlich, gerade wenn man an unsere hochqualifizierten Mitarbeiter denkt.

Wie wollen Sie die unterschiedlichen Stakeholder wieder für sich gewinnen? Haben Sie jüngst mit Klaus Röhrig oder Rolf Elgeti gesprochen?
Als CEO und CFO des Unternehmens bin ich, zusammen mit meinen Vorstandskollegen und auch unserer IR-Abteilung kontinuierlich in Gesprächen mit Investoren, sowohl unseren aktuellen, als auch potentiellen. Selbstverständlich sind wir auch mit Herrn Röhrig in einem professionellen Dialog, schließlich ist er unser Aufsichtsratsvorsitzender

Ist eine Allianz zwischen Röhrig und Elgeti nicht äußerst fragwürdig – auch hinsichtlich eines möglichen Acting in Concert? Müsste ein öffentliches Übernahmeangebot gemacht werden?
Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich mich dazu nicht äußere. An solchen Spekulationen beteiligen wir uns grundsätzlich nicht. Das müssen andere beurteilen.

Ihre Hauptversammlung wurde wegen Corona gerade deutlich nach hinten verschoben. Was ist hierfür der Grund?
Wie viele andere Gesellschaften haben wir uns entschieden die Hauptversammlung zum Schutz der Aktionäre, Mitarbeiter und beteiligten Dienstleister auf einen späteren Termin, voraussichtlich Mitte August, zu verschieben. Wir streben eine Präsenzveranstaltung an, um die Informationsrechte aller Aktionäre bestmöglich zu wahren. Eine Terminfestlegung erfolgt, sobald unter Berücksichtigung der behördlichen Auflagen mit hinreichender Sicherheit eine ungehinderte Durchführung der Veranstaltung gewährleistet ist.

Bildquelle: Rüdiger Andreas Günther, Francotyp-Postalia
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