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Brexit // Was Anleger und Versicherte jetzt tun sollten

Wahrscheinlich weiß man erst am 30. März 2019 ganz genau, ob es nun einen harten, einen weichen oder gar kein Brexit geben wird. Zu vielschichtig sind die verschiedenen Interessen in Großbritannien aber auch in der EU. Nach wie vor sehe ich eine Verhandlungslösung mit verlängerten Übergangsfristen als den wahrscheinlichsten Ausgang. Allerdings ist Vorsicht bekanntlich die Mutter der Porzellankiste. Deswegen sollten sich Anleger jetzt auf alle Eventualitäten vorbereiten.

Viele Anleger spüren bereits heute die negativen Auswirkungen des Brexit. Das britische Pfund hat seit dem Referendum rund ein Viertel seines Wertes verloren. Durch den Abzug vieler Mitarbeiter aus der Finanzbranche sinken Mieten und Wert von Immobilien, besonders in London. Und britische Aktien haben sich in den vergangenen drei Jahren deutlich schlechter entwickelt als zum Beispiel amerikanische Werte.

Kommt es zu einem ungeregelten, harten Brexit werden Anlagen in Großbritannien noch einmal stark an Wert verlieren. Besonders trifft es Immobilien-Beteiligungen. Hier wirken gleich drei Belastungsfaktoren. Weniger Miete bedeutet weniger laufenden Ertrag. Die sinkende Nachfrage nach Büro- und Wohnraum lässt die Immobilienpreise weiter fallen. Und ein einbrechendes Pfund führt zu zusätzlichen Wertverlusten für Anleger, die in Euro abrechnen.

Anleger in britischen Aktien sollten ebenfalls vorbereitet sein. Je härter der Schnitt zwischen Großbritannien und der EU ausfällt, umso größer sind die zu erwartenden Verluste. Denn die britische Wirtschaft ist abhängig vom Handel mit Europa. Eine Zahl die das verdeutlicht: zwischen drei und vier Millionen LKW nutzen jährlich die Route von Dover nach Calais. Die EU ist in allen Bereichen größter Handelspartner des vereinigten Königreichs. Besonders Aktien britischer Banken drohen hohe Abschläge. War London bisher wichtigster Börsenplatz und Zentrum der Finanzindustrie in Europa endet der Zugang zum europäischen Markt bei einem harten Brexit.

Selbstredend ergeben sich aus der momentane Unsicherheit auch neue Chancen für Investoren. Bleibt ein harter Brexit aus und regelt ein neuer Handelsvertrag verlässlich den Status im Sinne einer engen Partnerschaft werden sich sowohl das Pfund als auch britische Aktien deutlich erholen. Wie wahrscheinlich dieses Ergebnis ist muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden.

Haben Sie eine Versicherung bei einer britischen Versicherungsgesellschaft, wie zum Beispiel Standard Life, Clerical Medical oder Lloyds? Dann sollten Sie diese jetzt auf den Prüfstand stellen. Um den Folgen des Brexit zu entgehen, verlagern viele Gesellschaften ihr Geschäft an neue Standorte in der EU. So überträgt Standard Life gerade rund 600.000 Verträge von Schottland auf eine Tochtergesellschaft in Irland. Was auf den ersten Blick gut klingt, hat für Anleger einen nicht unerheblichen Haken. Während Lebensversicherungen in Großbritannien ähnlich wie in Deutschland durch eine staatliche Sicherung, die FSCS (Financial Services Compensation Scheme), geschützt sind, fehlt dieser Schutz in Irland. Der Totalverlust ihrer Ersparnisse bei Insolvenz der Versicherungsgesellschaft ist möglich.

Bleibt Ihr Vertrag dagegen in Großbritannien, ergibt sich ein anderes Problem. Die britische Regierung hat angekündigt, bei einem ungeregelten Brexit ein Zahlungsverbot für Versicherungen und Banken zu erlassen. Diese könnten dann nicht mehr an Kunden außerhalb Großbritanniens zahlen. Von diesem Zahlungsverbot wären übrigens auch Tagesgelder und Festgelder bei britischen Banken betroffen.

Besonders kritisch müssen Versicherungen unter die Lupe werden, die für einen konkreten Schaden zahlen, zum Beispiel Haftpflicht-, Unfall- oder Gebäudeversicherungen. Kommt es im Schadensfall zu Rechtsstreitigkeiten, müssen diese dann vor einem britischen Gericht ausgefochten werden. Hohe Kosten und ungewisser Ausgang eingeschlossen. Sichert eine Versicherung existenzielle Risiken ab, sollte über einen Wechsel nachgedacht werden.

Neben den rechtlichen Risiken gibt es aber noch einen weiteren Punkt, der zu beachten ist. Lebensversicherungen in Großbritannien investieren Kundengelder oft deutlich risikobereiter in Aktien, Unternehmenswerte und Immobilien, gerne auch wieder in Großbritannien. Sie versprechen hohe Renditen bei nur geringen Kapitalgarantien. Bei einem ungeregelten Brexit werden die versprochenen Renditen kaum noch zu erreichen sein. Das wiederum führt dann zu Problemen, wenn die Versicherung zur Kredittilgung fest eingeplant oder wesentlicher Teil Ihrer Altersvorsorge ist.

Bei allen nötigen Vorkehrungen geht es darum, sich auf Eventualitäten vorzubereiten. Panik ist nach wie vor unangemessen und würde mehr Schaden anrichten als vor dem Brexit schützen. Es bleibt noch genug Zeit, gut vorbereitet und mit gutem Gefühl das Ende der Verhandlungen abzuwarten. Unterstützung bekommen Sie von Ihrem Bankberater. Aber auch Ihr Steuerberater hat wertvollen Rat für Sie.

Der Autor

Patrice Kaiser, Merkur Bank, Vermögensverwaltung, Sparen,

Patrice Kaiser, Vertriebs- und Produktmanager für Vermögensanlagen
Patrice Kaiser, 39 Jahre alt, Bankbetriebswirt, verantwortet seit 2011 die fachliche Seite des Anlagegeschäfts in der MERKUR BANK. Im Vordergrund seiner Arbeit steht, die Komplexität einer Vielzahl von Anlageformen und -strategien für den Kunden aufzulösen. Um die individuell beste Lösung bieten zu können, trifft er die Wertpapierauswahl an Hand quantitativer und qualitativer Kriterien. Sein Ziel: die Anlagen zu finden, die langfristig überdurchschnittlich gut abschneiden.
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Bildquelle (Titelbild): Klicker / pixelio.de; Portrait: Merkur Bank
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