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Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Ulrich Reinhardt zu Kapitalismus, Rente, Euro, Gold und Freizeit

Ulrich Reinhardt ist Zukunftswissenschaftler bei der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Er beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Wandel, mit dem Freizeit- und Konsumverhalten sowie der Europaforschung.

Time is Money. Antworten Sie: quick & clean. Smart wäre auch gut. Also effiziente Antworten, schließlich geht es um Wirtschaft.

Hat der Kapitalismus gesiegt?
In Zeiten der Globalisierung gibt es keine realistische Alternative. In aufstrebenden Ländern wollen die Bürger ihren Lebensstandard erhöhen. Hierfür muss in die Industrialisierung und die dafür notwendige Infrastruktur investiert werden – was der Kapitalismus leistet.

Hat der Kapitalismus noch eine Zukunft?
Vorläufig sicherlich. Allerdings schreitet die Spaltung der Welt immer weiter voran: Das Vermögen der drei reichsten Menschen übertrifft mittlerweile die Wirtschaftsleistung – BIP – der 57 ärmsten Nationen. In Deutschland verfügt das obere Zehntel der Bevölkerung über zwei Drittel des Gesamtvermögens, während das untere Zehntel Schulden hat. All dieses wird irgendwann zu sozialen Spannungen führen, die Umwälzungen nach sich ziehen werden. Noch habe ich allerdings die Hoffnung auf ein Umdenken in Richtung einer sozialen Marktwirtschaft wie es sie in den 50er Jahren gab – hierfür müsste allerdings der politische Wille geschaffen werden.

Werden wir irgendwann wachstumsmüde, also lieber Freizeit statt Geld?
Zeit wird die kostbarste Ressource der Zukunft sein. Ein Großteil der Gesellschaft möchte schon heute vorzugsweise seine persönliche Lebensqualität steigern als den Lebensstandard. Also lieber mehr Zeit mit der Familie, den Freunden oder sich selbst, als ein neuer Flachbildschirm, ein anderes Smartphone oder eine neue Couchgarnitur.

Wie wird man künftig über Geld denken?
Nicht viel anderes als in der Vergangenheit oder Gegenwart: Geld ist Mittel zum Zweck. Der einzelne Bürger erfüllt sich hiermit Bedürfnisse, Notwendigkeiten und Wünsche. Die spannende Frage ist, welche Bedürfnisse, Notwendigkeiten und Wünsche wir zukünftig haben werden.

Demografie. Kommt Deutschland auch mit weniger Menschen zurecht? In den Siebzigern ging es doch auch.
Eine abnehmende Gesellschaft ist zunächst einmal wertneutral. Eine Herausforderung ist jedoch das Verhältnis zwischen Nachwachsenden, Erwerbstätigen und Ruheständlern. Bis 2030 reduziert sich die Anzahl jüngerer Mitbürger um rund vier Millionen und die der Erwerbstätigen um zusätzlich 5 Millionen – dafür leben dann über 5 Millionen mehr Menschen über 65 Jahren in unserem Land. In der Konsequenz führt dies zu einem Fachkräftemangel und weniger Innovationen, höheren Beitragszahlungen und einem späteren Renteneintrittsalter.

Bekommen wir die Vereinigten Staaten von Europa oder zerbröckelt Europa in bedeutungsloser Kleinstaaterei?
Alternde Wohlstandgesellschaften halten relativ wenig von Veränderungen, sondern wünschen eine Fortsetzung des Bestehenden. Da Wahlen gegenwärtig mit den Stimmen der über 55-Jährigen gewonnen werden, spricht derzeit noch einiges gegen ein zusammenwachsendes Europa. Allerdings wächst eine junge Generation heran, für die Europa ganz selbstverständlich ist und entsprechend denkt, lebt und handelt. Auch spricht Wirtschafts- und Geopolitisch vieles für ein starkes Europa. Insofern muss Europa zusammenwachsen – hierzu gibt es für mich keine Alternative. Mitte des Jahrhunderts werden wir dann wahrscheinlich schon einen Schritt weiter sein und über den EU-US Merger diskutieren, der ebenso notwendig ist.

Was hält ein Zukunftsforscher von Gold?
Die Menge von Gold ist endlich und alles was endlich ist, ist beliebt.

Ist Altersvorsorge noch ein Thema oder hat man schon resigniert?
Mittelfristig wird es eine staatliche Einheitsrente geben, die jedoch lediglich die Grundbedürfnisse abdecken wird. Insofern sollte jeder, der sich auch im Alter etwas leisten möchte, für seinen Ruhestand vorsorgen. Gleichwohl sollte die Vorsorge sich nicht nur auf finanzielle Aspekte beschränken, sondern auch die gesundheitliche, mentale und soziale Ebene umfassen.

Warum nehmen die Deutschen am wirtschaftlichen Erfolg nur über die Löhne teil und wollen nicht auch durch Aktien an den Gewinnen partizipieren?
Dies halte ich für sehr zukunftsweisend und zwar sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Auf beiden Seiten würde Identifikation, Loyalität, Vertrauen und Verantwortung steigen. Ebenso gäbe es ein gemeinsames Interesse an einem Arbeitsumfeld, in dem Arbeitnehmer ihre Bedürfnisse – zum Beispiel Arbeitszeit- und Ort, Vereinbarkeit von Beruf und Familie – optimal befriedigen können, um produktiv zu sein.

 

Bildquelle: Stiftung für Zukunftsfragen [bearbeitet]

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