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Tom Hillenbrand Interview // Börse oder Crowd ist nicht intelligent

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Tom Hillenbrand, Autor und Wirtschaftsjournalist, über das Spekulieren, Geld, Nullzinsen, Welthandel, Zölle, Kaffee aus dem Fass und warum die Börse beziehungsweise die Crowd zwar häufig treffsicher, aber keineswegs intelligent ist.

In Ihrem aktuellen Roman Der Kaffeedieb pflegt der Protagonist Obediah Chalon einen aufwendigen Lebensstil und mag das Arbeiten nicht so sehr. Er verlegt sich deshalb auf Spekulieren, um sich zu finanzieren. Kann das gelingen?
Kann es bestimmt. Man sollte sich halt darüber im Klaren sein, dass selbst ein längerfristiger spekulativer Erfolg letztlich vor allem auf Glück oder genauer gesagt auf Zufall beruht, und nicht auf Können. Auch Obediah Chalon ahnt das wohl, weswegen er dem Glück ein wenig nachhilft – indem er Wechsel und Münzen fälscht und versucht, aus Insiderinformationen Kapital zu schlagen.

Wäre ein Grundeinkommen besser?
Ich finde das Moral Hazard beim Grundeinkommen problematisch. Würde das nicht signifikante Teile der Bevölkerung dazu verleiten, gar nichts Produktives mehr zu tun, weder für die Wirtschaft noch für die Gesellschaft? Meiner Ansicht nach sollte man für sein Geld arbeiten. Aber vielleicht bin ich einfach zu protestantisch.

Sollte man etwas wagen – auch bei Investments?
Ohne Risiko in der Regel keine Rendite. Kommt aber natürlich drauf an, was man mit seinem Geld machen möchte. Wer in zehn Jahren ein Häusle bauen möchte, sollte vielleicht nicht am Währungsmarkt spekulieren.

Die Vereinigten Ostindischen Compagnie führt als erste Gesellschaft die Eigenkapitalbeschaffung durch Aktien ein. Eine gute Idee?
Auf jeden Fall. Viele dieser frühen Handelskompanien sind zwar spektakulär Pleite gegangen, wie etwa im frühen 18. Jahrhundert bei der sogenannten South Sea Bubble. Aber das Instrument des IPO ermöglichte es zum erste Mal, große Expeditionen und Vorhaben durchzuführen, die kapitalintensiv waren.

Börse ist letztlich Crowd. Ist die Crowd intelligent [wie es immer heißt]?
Ich glaube, dass die Masse sehr gut darin ist, Dingen einen Wert zuzuordnen. Es gibt dieses berühmte Beispiel eines britischen Viehmarkts, auf dem die Leute das Gewicht eines Preisbullen auf ein Los schreiben konnten. Manche waren nah dran, andere weit weg. Aber wenn man den Mittelwert aller Schätzungen bildete, kam das tatsächliche Gewicht des Preisbullen heraus. Man muss sich allerdings klar machen, dass so etwas überhaupt nichts mit Intelligenz zu tun hat.

Kaffee oder Tee?
English Breakfast mit Milch und Zucker. Wehe, er ist nicht heiß.

Wenn Kaffee, dann aus dem Fass oder der Maschine?
Egal. Hauptsache schwarz und ohne Macadamia- Sirup

Kaffeehäuser dienten früher dem Nachrichtenaustausch. Heute gibt es Internet und Wlan. Schenken Kaffee-Ketten wie Starbucks noch heute Fasskaffee aus?
Die Qualität des Gebräus in modernen Kaffeehäusern ist sicherlich um Welten besser als im 17. Jahrhundert. Das mit dem Fass hat man übrigens gemacht, weil es auf öffentlich ausgeschenkte Getränke eine zu entrichtende Steuer gab, und die wurde pro Fass erhoben.

Schon selbst mal gezockt, mit Kaffee zum Beispiel?
Seit ich nicht mehr in einer Wirtschaftsredaktion tätig bin und keine Compliance mehr beachten muss, zocke ich dauernd. Ich halte mich aber an Aktien, weil ich mich da der Illusion hingeben kann, etwas von der Sache zu verstehen.

Aktien?
Bluechips, Tech, Smallcaps, alles. Aber hauptsächlich Value-Geschichten, einfaches Geschäftsmodell, hohe Dividendenrendite, quasi die alte Buffet-Schule.

Bausparer?
Ich wohne in München. Nur Vollidioten kaufen jetzt noch Immobilien in München.

Nullzinsen sind …?
… eigentlich verlockend. Ich habe schon mal darüber nachgedacht, eine GmbH zu gründen, deren einziger Geschäftszweck darin besteht, Telekom-Aktien auf Pump zu kaufen und die Zinszahlungen aus Krediten und Dividendenrendite zu arbitragieren. Das ginge natürlich irgendwann schief. Aber wenn es eine GmbH wäre, wäre das ja dann nicht mein Problem.

Sollte es beim Geld ein staatliches Monopol geben?
Das ist eigentlich eine Frage aus dem letzten Jahrhundert. Im Internetzeitalter ist ein Geldmonopol genauso realistisch wie ein Informationsmonopol oder ein Rundfunkmonopol.

Frankreich und das Osmanische Reich hatten sich damals, im 17. Jahrhundert, den Kaffeehandel untereinander aufgeteilt. Chalon zog los, um durch den Diebstahl von Kaffeepflanzen dieses Monopol zu brechen. Was ist generell von Monopolen in einer Wirtschaft zu halten?
Ich glaube, dass Monopole immer zu überhöhten Preisen führen. Außerdem lösen sie beim Inhaber des Monopols die Wahnvorstellung aus, dass es ohne ihn gar nicht geht.

Ist Patentschutz wichtig und wurde er jemals in der Geschichte eingehalten?
Auf jeden Fall sinnvoll und wichtig – ohne Patentschutz wären viele Investitionen ja gar nicht denkbar. Was ich allerdings nie verstanden habe: warum beträgt der Patentschutz für ein Medikament 20 Jahre, für einen Roman jedoch 80?

Gab es Globalisierung schon immer?
Spätestens seit Kolumbus. Aber eine vollumfängliche Globalisierung haben wir vermutlich das erste Mal im 17. Jahrhundert gehabt. Da aßen Amsterdamer Bürger Orangen und Ananas von chinesischen Porzellantellern, trugen Klamotten aus kanadischem Biberfell und hatten persische Teppiche. Zumindest für die Wohlhabenden war schon damals die ganze Welt ein einziges Kaufhaus.

Lässt sich Handel zwischen Ländern auf Dauer beschränken?
Ich denke, nein. Denn je mehr man das Angebot einschränkt, umso höher steigt der Preis, und umso höher ist der Anreiz für Schmuggler oder Blockadebrecher, den Handel wieder in Gang zu bringen. Das ist ein ökonomisches Grundgesetz, das am Ende mächtiger ist als jede Zollschranke.

Was ist von TTIP zu halten?
Grundsätzlich bin ich für maximalen Freihandel und die Abschaffung sämtlicher Zollbarrieren. Ich verstehe allerdings nicht, warum man dies nicht im Rahmen existierender Rechtsstrukturen machen kann. Diese geplanten Schiedsgerichte sind mir suspekt. Und noch suspekter sind mir Abkommen, deren Vertragsinhalt nicht vorab vollständig für jeden Interessierten einsehbar ist. Dass nicht einmal die mit dem Thema beschäftigten Parlamentarier die Unterlagen vollumfänglich einsehen dürfen, ist ein Grund, den ganzen Mist aus Prinzip abzulehnen.

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Bildquelle: Tom Hillenbrand / Flickr [bearbeitet]
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