Plusvisionen

Besser als der Markt // Alpha // Mythos oder Marketing?

Wir alle sind Alpha-Tiere an der Börse … Der Eindruck mag entstehen, weil in aller Regel weniger gerne von Verlusten erzählt wird. Verluste sind schmerzhaft und wozu sich quälen; besser ist da ein gesundes Vergessen. Durchschnitt ist langweilig und wie schön sind die Prahlereien von den vielen Gewinnen, die man schon erzielt hat. Die Geschichten müssen auch nicht schlüssig bis ins Detail sein und Nachfragen, wo denn all die Jachten der Kunden stehen oder warum diese noch arbeiten müssen, sind eher lästig, weswegen sie gar nicht gestellt werden.

Nun könnten man sagen, die Messlatte (Benchmark) für den Markt muss einfach nur niedrig genug sein, sodass jeder diese überspringen kann. In der Praxis passiert das durchaus, aber meist dient als Vergleichsmaßstab doch ein bekannter Index wie der DAX, der S&P 500 oder der MSCI Welt. Wenn man es schafft, in einem bestimmten Zeitraum den Benchmarkindex zu überflügeln, erzielt man eine Mehrrendite. In der Finanzwelt ist dann von Alpha die Rede. Im Gegensatz dazu ist die Marktrendite, das Beta. Beta ist normal, die Pflicht, Alpha ist das Besondere, die Kür.

Alpha will deshalb jeder: Anleger, aktive Fonds, Vermögensverwalter oder Anlageberater. Eine ganze Industrie müht sich um das finanzielle Heilsversprechen mehr oder weniger, besser als der breite Markt abzuschneiden, aufgrund von außergewöhnlichen Methoden oder Fähigkeiten. Alpha ist das Plus. Dafür fließen die Gebühren. Damit kann man sich gegenüber der Konkurrenz abgrenzen.

Aber gibt es Alpha tatsächlich? Kann man besser als der Markt sein, zumal auf Dauer? Schaffen es die Profis und die Profis der Profis, die Hedgefonds, die dafür satte Kosten berechnen? Dieser Frage ist auch Thorsten Poddig, Professor für Finanzwirtschaft an der Uni Bremen, auf der 10. Jahrestagung des Münchner Finance Forums nachgegangen. Die gute Nachricht gleich vorweg: Bei Benchmark-Vergleichen kann es sehr theoretisch allen gelingen, den Markt (Beta) zu übertreffen. Benchmark-Konzepte sind keine Nullsummenspiele, bei denen nur einer gewinnt, wenn ein anderer verliert. Ragen dementsprechen viele Alpha-Manager aus dem grauen Beta-Einerlei heraus?

Poddig bezieht sich bei seiner Analyse auf die Urstudie von Michael Jensen. Das desillusionierende Ergebnis: Für aktive Publikumsfonds ohne Berücksichtigung von Kosten ergibt sich im Mittel ein negatives Alpha und nach Kosten ein klar negatives Alpha. Nun bezieht sich diese Studie auf einen Zeitraum von 1945 bis 1964, könnte man einwenden und seitdem habe sich viel getan, aber an den Ergebnissen habe sich laut Poddig trotz Verbesserungen der Studie „qualitativ“ bis heute nichts geändert.

Trotzdem: Mehrrendite (Alpha) gäbe es, so Poddig, vereinzelt. Doch wenn tatsächlich einmal eine Mehrrendite (Alpha) erwirtschaftet wurde, sei diese meist nicht von Dauer. Die Tendenz scheint Richtung Zufall zu gehen. Sogar das Gegenteil sei möglich (Mean-Reversion-Hypothese): Ein besonders guter Fonds könne schon bald überdurchschnittlich schlecht abschneiden (und umgekehrt). Ergo: Ein Alpha, noch dazu ein dauerhaftes, sie bei Publikumsfonds doch eher selten. Und just diesen Fonds herauszupicken, ist wohl noch unwahrscheinlicher.

Selbst bei Hedgefonds, einer Art Elite der Fondsindustrie, fänden sich kaum Alpha-Manager, wie es das Marketing verspricht. Oft ist ihr Alpha wohl eher ein Exotic-Beta, analysiert Poddig entzaubernd, also die Marktrendite, die durch besondere Risikostrategien aufgepeppt würde. „Merkwürdig“ sei, so Poddig, dass es auch den Hedgefonds nicht gelänge, dieses „dauerhaft abzuschöpfen“: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Top-Performer nach 24 Monaten noch immer zu den Top-Performern gehöre, liege wie beim Münzwurf bei 50 Prozent und die Liquidationswahrscheinlichkeit von Top-Performern bei den Hedgefonds erreiche nach 3 bis 4 Jahren 30 bis 40 Prozent.

Ist Alpha nur ein Mythos? Ja, meint Poddig. Aber wofür bezahlt man dann? Und wie schafft es eine ganze Branche ohne ein belastbares Geschäftsmodell dauerhaft zu überleben? Poddigs ernüchternde Vermutung: Der Einzelne mache es noch schlechter als der Vermögensverwalter oder Fondsmanager. So wird Beta zu Alpha.

Börsen-Altmeister Warren Buffett rät deshalb allen Do-it-yourself-Anlegern zu Indexfonds (ETFs). Damit könne ein Investor wenigstens nicht schlechter als der Markt (Beta) abscheiden. Dank geringer Kosten kann dann auch auf ein wackliges Alpha getrost verzichtet werden.

 

Bildquelle: Dieter  / pixelio.de

 

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