Plusvisionen

Goldman-Sachs-Stratege Andrew Wilson: Rückkehr des Wachstums in der Weltwirtschaft

Eine Außenvision von Andrew Wilson, CEO EMEA bei Goldman Sachs Asset Management in London. Sein globaler aktueller Markt-Ausblick.

Die globale Konjunktur hat in den vergangenen Monaten etwas an Schwung verloren, doch wir rechnen damit, dass das Wachstum jetzt im Frühjahr wieder anziehen wird. Für die lahmende Dynamik sind in erster Linie die USA verantwortlich, wo sich das Wirtschaftswachstum zum Jahreswechsel plötzlich verlangsamt hat und erst wieder zu der Stärke zurückfinden muss, die über weite Strecken der zweiten Jahreshälfte 2013 vorherrschte. Wir glauben jedoch, dass die jüngste US-Schwäche größtenteils durch den ungewöhnlich harten Winter bedingt war und dass die Wachstumsraten im Zuge der Wetterverbesserung wieder steigen werden.

In der Vergangenheit hat sich das Wachstum nach einer wetterbedingten Schwäche stets kräftig erholt, sodass die USA gute Chancen auf ein starkes zweites Quartal haben. Besonders ausgeprägt war die jüngste Flaute im Bausektor, was angesichts des schlechten Wetters wenig überrascht. Da gemessen am Bevölkerungswachstum ein erhebliches Defizit an neuen Wohnungen besteht, dürfte dieser Zustand allerdings kaum von Dauer sein. Erste Anzeichen für eine Erholung im Wohnungsbaumarkt – einschließlich sich belebenden Lohnniveaus – deuten darauf hin, dass sich die Bautätigkeit im Frühjahr und Sommer verstärken könnte. Weitere Wachstumspotenziale ergeben sich aus der Verbesserung der Haushaltsbilanzen, den Barmittelüberschüssen im Unternehmenssektor und dem verminderten Sparzwang auf staatlicher Ebene. Zusammen dürften diese Faktoren dafür sorgen, dass das US-Wirtschaftswachstum 2014 auf über 3 Prozent anziehen wird.

Die anhaltenden Verbesserungen in der Eurozone und Japan stützen vermehrt unsere Einschätzung, dass das Wachstum in den Industrieländern an Fahrt gewinnt. In Japan wird das Wachstum von hohen Konsum- und Staatsausgaben getrieben. Allerdings bleibt abzuwarten, inwieweit der Anstieg der Verbraucherausgaben durch die Mehrwertsteuererhöhung im April bedingt war. Die Wirtschaft in der Eurozone profitiert hauptsächlich von der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der Peripherieländer und weniger von der stärkeren Binnennachfrage in Deutschland oder anderen Kernstaaten. Die Inflation bleibt daher niedriger und die Wachstumsdynamik schwächer als in anderen entwickelten Regionen. Die Fortschritte, die gegenüber letztem Jahr erzielt wurden, sind aber beträchtlich.

Die Flaute in China könnte dazu führen, dass sich die Divergenz in der Wachstumsdynamik zwischen den entwickelten und aufstrebenden Märkten verstärkt. Der Abschwung in China ist derzeit sowohl zyklisch als auch strukturell bedingt, da die chinesische Regierung einerseits um eine Eindämmung des Kreditwachstums bemüht ist und andererseits den Wandel zu einer verbraucherorientierteren Wirtschaft forciert. Im Zuge der Wachstumsverlangsamung zweifeln die Anleger jedoch zunehmend an der Fähigkeit der chinesischen Wirtschaft, den aktuellen Kreditzyklus ohne eine Welle von Zahlungsausfällen zu überstehen. Da in der zweiten Jahreshälfte zahlreiche Treuhandprodukte fällig werden, gehen wir davon aus, dass sich die Finanzbedingungen verschärfen und so den zyklischen Druck auf das Wachstum verstärken werden. Die politischen Verantwortlichen dürften diesem Problem begegnen, indem sie die staatlichen Ausgaben erhöhen und den Strukturwandel hin zur Konsumwirtschaft verschieben – damit das Wachstum in etwa auf dem Zielniveau von 7,5 Prozent verharren kann.

Unseres Erachtens ergeben sich aus den Wachstumsdivergenzen quer über die globalen Märkte eine Vielzahl von Anlagemöglichkeiten. Was die USA betrifft, schätzen wir das aktuelle Konjunkturumfeld negativ für all jene Sektoren ein, die am unmittelbarsten von der entgegenkommenden Geldpolitik der Fed profitiert haben. Für solche Vermögenswerte, die sich als Nutznießer des anziehenden Wachstums erweisen dürften, ist es dagegen positiv. Folglich rechnen wir mit steigenden US-Zinsen und einer Spreadausweitung bei Agency-Mortgage-Backed-Securities, während hochverzinste Unternehmensanleihen und Non-Agency-Hypothekenpapiere weiter positive Überschusserträge liefern dürften, da ein höheres Wachstum die Bonität stützt. Außerhalb der USA beurteilen wir die Lage so, dass die europäischen Zinsen auf Grund des schwächeren Wachstums und der Inflation in der Eurozone andere entwickelte Märkte voraussichtlich übertreffen werden. Die auf China ausgerichteten Schwellenländer dürften sich jedoch schlechter entwickeln als jene, die stärker mit der US-Wirtschaft verflochten sind.

 

Bildquelle: Goldman Sachs AM [bearbeitet]

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