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Carsten Mumm – Donner & Reuschel // Inflation und der Aktienmarkt

Inflation, Aktien, Börse, Wirtschaft, Konjunktur

Bildquelle: Carsten Mumm / Donner & Reuschel

Die Steuerung der Inflation ist kein so einfaches Unterfangen, schon gar nicht das Erreichen eines bestimmten Inflationsniveaus. Zwar betonen die Europäische Zentralbank (EZB) und andere bedeutenden Notenbanken, dass die aktuell höheren Preissteigerungsraten nur temporären Charakter haben. Die kürzlich erhöhten EZB-Projektionen liegen mit 1,7 Prozent für 2022 und 1,5 Prozent für 2023 sogar immer noch weit unter dem langfristigen Zielwert von 2,0 Prozent.

Allerdings entwickelt sich gerade eine immer schwerer zu kontrollierende Eigendynamik, die aus vielen verschiedenen preistreibenden Komponenten besteht, die größtenteils von der Notenbank gar nicht beeinflusst werden können. Zuerst sind in den vergangenen Monaten die Preise für diverse Rohstoffe und Vorprodukte deutlich angestiegen, unter anderem aufgrund anhaltend gestörter Lieferketten. Dies hat für teils explodierende Produktionskosten in der Industrie gesorgt.

Nun legten auch noch die Energiepreise unerwartet stark zu. Auch hier sind die Hintergründe vielfältig, dazu gehören Corona- und witterungsbedingte Produktionsunterbrechungen, erhöhte Nachfrage in der Erholung nach der Rezession, die nur langsame Anhebung der täglichen Rohölfördermenge durch die OPEC oder leere Gaslagerstätten in vielen Staaten. Der noch fehlende Schritt für eine länger anhaltende Phase erhöhter Inflationsraten wäre das Einsetzen einer Lohn-Preis-Spirale, die zumindest in den USA schon klar erkennbar ist.

In dieser Woche werden die Stellenangebote laut offizieller Arbeitsmarktstatistik (Job Openings and Labor Turnover Survey des Bureau of Labour Statistics, JOLT) veröffentlicht, die mit knapp elf Millionen offener Stellengesuche erneut auf Rekordniveau liegen dürften. Angesichts des zuletzt erneut nur geringen Anstiegs neuer Arbeitsverhältnisse in den USA eröffnet sich deutlicher Spielraum für Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer.

In Deutschland werden die derzeit höheren Inflationsraten schon zu einem Kernargument für höhere Lohnabschlüsse, schließlich treffen höhere Preise vor allem geringere und mittlere Einkommensempfänger. Die EZB-Projektionen dürften vor diesem Hintergrund – möglicherweise deutlich – zu niedrig liegen. Die Zinsen für Staatsanleihen werden weiter steigen, aber voraussichtlich noch lange unterhalb der Inflationsrate liegen.

Wie könnte sich dieses Szenario auf die Aktienmärkte auswirken? Grundsätzlich sind anhaltend höhere Inflationsraten nicht negativ für Aktienmärkte, denn sie gehen im Normalfall mit einer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung einher. Zudem erweitern sich für Unternehmen in einem stärker inflationären Umfeld Preissetzungsspielräume, wie die Berichtssaison für das zweite Quartal gezeigt hat. Viele Unternehmen konnten teils erheblich angestiegene Produktionskosten auf ihre Endverbraucher umlegen und ihre Margen stabil halten.

Das wird jedoch nicht dauerhaft gelingen, weshalb für die gerade anlaufende Berichtssaison für das dritte Quartal vermehrt mit Gewinnenttäuschungen zu rechnen ist. Zudem sorgen anhaltende Lieferengpässe dafür, dass nicht nur die Kosten weiter steigen, sondern auch Produktion gedrosselt werden muss und es schwingt zunehmend die Drohung einer weniger expansiven Gangart der Notenbanken über den Börsen. Anleger werden daher künftig verstärkt die unternehmensspezifische Situation im Blick behalten werden müssen. Auf Index-Ebene dürften die zuletzt stärkeren Schwankungen vorerst anhalten.

Bildquelle: Carsten Mumm / Donner & Reuschel
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