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Er liebte seine Aktien – bis ihn die Börse dabei erwischte

Sollte man seine Aktien lieben oder muss man vielleicht sogar? Anders gefragt: Darf eine Aktie, die man sich ins Depot legt, einem gänzlich unsympathisch sein? Börsenlegende Warren Buffett riet mal, dass man eine Aktie verstehen sollte – oder besser gesagt, das Unternehmen, das dahintersteht, bevor man investiert. Aber ist Verstehen nicht auch schon eine Art Liebe? Man zeigt Verständnis, man hat verstanden, entwickelt womöglich Zuneigung oder zumindest Gefallen an dem Geschäftsmodell der Aktiengesellschaft, da ist es oft nicht weit bis zum nächsten Schritt.

Bei Aktien ist es selten Liebe auf den ersten Blick. Meist schwingt beim Kauf doch gehörig viel Skepsis mit. Wird das halten? Die Verliebtheit, die Liebe entsteht erst so nach und nach. Und: Die Liebe wächst besonders in den schlechten Zeiten und weniger in den guten. Kurios, ist aber so und sollte doch Aktien in den Augen vieler sympathischer machen, oder? In den guten Zeiten nimmt die Liebe der Anleger zu ihren Aktien im Depot sogar eher ab. Wenn eine Aktie, was die Kursgewinne angeht, gedeiht, dann trennen sich viele doch recht sang- und klanglos davon. So, als ob man sich keine Sorgen um diese Aktie machen müsste; sie werde schon jemand finden, der sie sich wieder ins Depot legt.

Dagegen nimmt die Liebe zu Aktien, die im Kurs fallen, mit jedem Pünktchen nach unten zu. Eine strauchelnde Aktie wächst Anlegern häufig immer mehr ans Herz. Man hofft mit ihr, immer stärker, immer intensiver … ja, das wird schon, redet man ihr (und sich) gut zu. Schließlich war doch am Anfang ganz viel Verständnis, deshalb könne man sich auch nicht schon bei der ersten (kleinen) Krise von ihr trennen. Das stehe man gemeinsam durch. Und wenn es wieder besser laufe, ja dann, könne man über eine Trennung nachdenken. Aber nicht in der Stunde der Not, nein, die verbindet. Und so wird durchgehalten, durchgehalten, durchgehalten … vielleicht vergisst man sich auch zwischendurch und findet sich erst viel später, fast zufällig, wieder. Doch die Entfremdung ist dann nicht selten groß und das Auseinandergehen ohne viel Federlesen vollzogen, egal wie hoch die Verluste sein mögen. Gut, dass sich just zu diesem Zeitpunkt oft andere für diese entliebten Aktien zu interessieren beginnen. Die Fortgejagten werden dankbar aufgenommen.

So ist das von der Liebe zu Aktien, wenn dann sollte man heimlich lieben, sodass einem die Börse nicht draufkommt. Und wenn es einen gute Beziehung ist, womöglich von reichlich Dividenden gesegnet, dann muss einem die launische Börse auch nicht dazwischenfunken. Lass sie launisch sein. Wir haben einander, Aktie und Anleger.

Aber wer weiß schon, ob es eine gute Beziehung wird? Es gibt Warnzeichen. Nein, ein kurzer (heftigerer) Streit gehört nicht dazu, aber wenn es lange bergab geht und immer aufs Neue runter gezogen wird oder wenn sich etwas grundlegend geändert (Energiewende bei den Versorgern oder Bankenkrise bei den Banken zum Beispiel) hat, bietet sich ein Schlussstrich an. Das sprichwörtliche Ende mit Schrecken ist besser als Schrecken ohne Ende.

Also doch lieber ganz nüchtern an die Sache herangehen? Aber wer kann das schon? Wer will das schon? Zudem besteht so die Gefahr, dass man sich auf nichts mehr richtig konzentriert, bei all den Aktie, die man emotionslos zusammenträgt. Nein, da ist es besser in einen Index zu investieren. In solch einem Harem ist man jeder und keiner treu.

 

Bildquelle: Gila Hanssen  / pixelio.de [bearbeitet]

 

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