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Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Lars Brandau vom DDV über die Zukunft von Zertifikaten

Lars Brandau, DDV

Quelle: Lars Brandau, DDV

Zertifikate haben nicht immer leichte Zeiten hinter sich und wohl auch künftig werden sie um ihren Platz in den Anleger-Depots kämpfen müssen. Der Markt schrumpft derzeit. Offenbar sitzt der Schock nach der Lehman-Pleite tief. Plusvisionen.de hat bei Lars Brandau, Geschäftsführer des Deutschen Derivate Verbands (DDV), nachgefragt warum Anleger in auch in Zertifikate investieren sollten.

Time is Money. Effiziente Antworten sind gefragt, schließlich geht es um Wirtschaft und Geld.

Das Marktvolumen von Zertifikaten in Deutschland ist unter das Krisenniveau von 2009 zurückgefallen und befindet sich nun etwa auf dem Stand von 2005. Sehen Anleger in Zertifikaten immer weniger einen Vorteil gegenüber einem Direktinvestment in Aktien oder einem Investment in einen Indexfonds?
Nein, das lässt sich so generell nicht bestätigen. Richtig ist, dass sich das Gesamtvolumen des deutschen Zertifikate-Markts rückläufig entwickelt. Das spricht aber im Umkehrschluss nicht per se gegen die Sinnhaftigkeit der Produkte. Der Deutsche Aktienindex legte in den zurückliegenden Jahren eine bemerkenswerte Rallye hin; doch größtenteils ohne Privatinvestoren. Die Deutschen sind traditionell sehr risikoavers und scheuen kapitalmarktnahe Produkte. Angesichts des Niedrigzinsumfelds sollte ein Denkprozess einsetzen. Strukturierte Wertpapiere sind sowohl für konservative als auch sehr offensive Anleger ausgereifte Finanzinstrumente. Das gilt es den Anlegern näherzubringen, zumal sich viele Märkte, Branchen oder Regionen optimal über Zertifikate abbilden lassen.

Warum konnte der Zertifikate-Markt nach der Finanzkrise 2009 nicht wieder an der guten Aufwärtsentwicklung der Zeit davor anknüpfen? Stehen die Anleger noch immer unter Lehman-Schock als ein Emittent pleiteging und damit auch dessen Zertifikate aufgrund der Konstruktion dieser Wertpapiere wertlos wurden?
Wenn ein börsennotiertes Unternehmen Insolvenz anmeldet, sind auch Aktienbesitzer von der Wertlosigkeit der Papiere betroffen. Insofern bezieht sich Ihre Frage nicht ausschließlich auf Zertifikate. Allerdings handelt es sich bei strukturierten Wertpapieren um Inhaberschuldverschreibungen. Es gibt also – wie bei klassischen Anleihen auch – ein Emittenten-Risiko. Sicherlich hat gerade deswegen die Zertifikate-Branche massiv unter dem Lehman-Schock gelitten. Seither hat die gesamte Industrie enorme Anstrengungen unternommen, um durch Transparenz und klare Regelwerke die Reputation zurückzuerlangen. Die Regeln dort gehen deutlich über die geforderten Bedingungen des Gesetzgebers hinaus.

Deutsche Anleger kommen kaum mit Aktien zurecht. Sind Zertifikate für Kleinanleger zu schwer zu verstehen; beziehungsweise sind sie vor allem Beratungsprodukte?
Ja und Nein. Der Markt für strukturierte Wertpapiere ist quasi zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen klassische Anlageprodukte für einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont. Das sind sicher überwiegend Produkte, die über den Bankvertrieb, beziehungsweise den Berater verkauft werden. Auf der anderen Seite finden Sie eine große Auswahl an Hebelprodukten, die ausschließlich dem selbstentscheidenden Kunden vorbehalten sind. Dabei handelt es sich klar um finanzmarktaffine und aufgeklärte Anleger, die als sogenannte Trader eher die Kurzfirstanlage im Auge haben.

Oder sind Zertifikate bei breiten Anlegerschichten nach wie vor schlicht zu unbekannt?
Kleinanleger, die das Gespräch mit ihrem Bankberater suchen, um eine Investitionsmöglichkeit zu finden, fragen in aller Regel nicht im ersten Anlauf nach strukturierten Wertpapieren. Der DDV und seine Mitglieder bieten vielfältige Service- und Schulungsmöglichkeiten. Wir setzen alles daran, Anlegern die Sinnhaftigkeit strukturierter Wertpapiere zu vermitteln.

Warum sollten Sparer Anlage-Zertifikate bei der Geld-Anlage nutzen?
Es geht immer darum, nicht das gesamte angesparte Vermögen in eine einzige Anlageform zu stecken. Es geht um sogenannte ausgewogene Depots. Am Ende entscheidet das über den Erfolg eines Depots.

Sind Anlage-Zertifikate wie Discount- oder Bonus-Zertifikate etwas für jeden Anleger?
Eindeutig ja. Sie sind Klassiker und sollten zumindest als ergänzender Baustein im Depot vorhanden sein, um Chancen am Kapitalmarkt wahrzunehmen. Anlage-Zertifikate können oftmals Mehrwerte liefern und sind daher sinnvolle Instrumente für den Vermögensaufbau und die private Altersvorsorge. Dabei können Anleger auf steigende, seitwärts tendierende oder leicht fallende Kurse setzen, wobei ich den Stellenwert einer eigenen Marktmeinung hervorheben möchte. Es kann nicht das eine Produkt für jede Marktsituation geben; aber es gibt ganz sicher für jede Marktphase das geeignete Produkt.

Welche Chancen, aber auch welche Risiken sind mit einem Zertifikate-Investment verbunden?
Mit Hilfe von strukturierten Wertpapieren können viele Märkte, Branchen oder regionale Schwerpunkte abgedeckt werden. Selbstverständlich gibt es Risiken. Zertifikate sind Wertpapiere, mit denen Anleger an der Wertentwicklung eines Basiswertes (zum Beispiel einer Aktie oder eines Aktien-Index) partizipieren, der dem Zertifikat zugrunde liegt. Rechtlich gesehen sind Zertifikate Inhaberschuldverschreibungen und damit Verbindlichkeiten des Emittenten. Insofern kommt der Bonität des Emittenten eine wichtige Rolle zu.

Wie wird sich der Markt für Anlage-Zertifikate in den nächsten zwei oder drei Jahren entwickeln? Der Markt für derivative Wertpapiere am Ende nur noch aus Hebelprodukte für Profis und Semi-Profis bestehen?
Wir sind zuversichtlich, dass Anleger die Vorteile der strukturierten Wertpapiere erkennen und künftig wieder vermehrt in diese Asset-Klasse investieren werden. Zertifikate sollten meiner Auffassung nach einen festen Platz in jedem breit gestreuten Portfolio haben. Wir werden noch mehr Aufklärungsarbeit leisten, um die Potenziale der Produkte hervorzuheben. Insofern glaube ich nicht, dass der Markt für derivative Wertpapiere irgendwann nur noch aus Hebelprodukten für Profis und Semi-Profis bestehen wird.

Was sehen Sie für Ziele, um Anlage-Zertifikate für eine größere Zahl von Privatanlegern attraktiver zu machen?
Die große Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung macht sich zu wenig Gedanken über die finanzielle Zukunft, gerade in Bezug auf die Altersvorsorge. Zwar beläuft sich das Vermögen der Deutschen aktuell auf 5,2 Billionen Euro, die aber zum überwiegenden Teil in niedrigverzinsten Anlageformen angelegt sind. Es droht inflationsbereinigt Vermögensverlust. Insofern müssen wir den edukativen Ansatz stärken. Das setzt schon bei der Aktienanlage an, die so etwas wie das Einfallstor für Zertifikate ist. Dabei müssen wir gemeinsam an der Entwicklung einer Aktienkultur arbeiten. In diesem Umfeld lassen sich die Vorteile von Zertifikaten besser und einfacher erklären, ohne etwaige Risiken zu negieren.

 

Bildquelle: Deutscher Derivate Verband (DDV) [bearbeitet]
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