Plusvisionen

Crowd-Analysten besser als Profis

Wer ist besser? Der Markt oder der Analyst? Oder: Kann man als Anleger den Markt schlagen, also eine höhere Gesamtrendite erzielen? Das Nobelpreiskomitee hat in dieser Frage in diesem Jahr salomonisch entschieden: Beide haben recht, meinten sie, und gaben Eugene Fama (der Markt ist langfristig nicht zu übertreffen) und Robert Shiller (irrational exuberance) die Auszeichnung.

Was aber tun als Anleger? Mit dem Pfeilen auf den Kursteil der Tageszeitung werfen? Mittels Fundamentalanalyse nach unterbewerteten Titeln suchen, wie es Warren Buffett (erfolgreich) tut, was, nebenbei bemerkt, durchaus ein Hinweis darauf sein könnte, dass der Markt womöglich doch nicht immer recht hat? Oder Kursverläufe (Charts) nach immer wiederkehrenden Mustern untersuchen? Oder einfach immer nur Indexfonds (ETFs) oder Indexprodukte (Partizipationszertifikate) kaufen?

Sehr populär ist in den vergangenen Jahren das sogenannte Crowd-Investing geworden. Schwarm-Intelligenz. Ein dehnbarer Begriff. Hierbei geht es um Empfehlungen aus der anonymen Masse. Laien oder Fachleute analysieren und sprechen ein Urteil, einzeln oder gebündelt: Kaufen, halten, verkaufen. Inwieweit sich die Crowd dabei gegenseitig beeinflusse bleibt diffus.

Das klingt stark von Fama und „der Markt ist nicht zu schlagen“. Aber neigt die Crowd – genauso wie die Börse, die ja letztlich auch nicht anderes ist als Crowd – zu Hysterie?

Das Team um Oliver Hinz, Lehrstuhlinhaber im Fachgebiet Wirtschaftsinformatik, Forschungsschwerpunkt „Elektronische Märkte“ an der Universität Darmstadt, hat nachgerechnet. Die Wissenschaftler werteten Kauf- und Verkaufsempfehlungen für die Aktien der 30 DAX-Unternehmen zwischen Mai 2007 und August 2011 aus. Dann verglichen sie die Genauigkeit der Anlageempfehlungen der Crowd-Plattform Sharewise.de mit denen ausgewiesener Anlageexperten von Banken und Finanzinstituten; außerdem wurden alle für den Finanzmarkt typischen Phasen berücksichtigt.

Das Ergebnis: Crowd-Analysten erzielen bessere Ergebnisse als die Profis des Aktiengeschäfts. „Selbst unter Berücksichtigung des eingegangenen Risikos, der allgemeinen Marktbedingungen und der Transaktionskosten übertrifft die Crowd die Berufsanalysten um durchschnittlich 0,59 Prozentpunkte pro Jahr“, so Hinz. Eine interessante Entdeckung machten die Wissenschaftler: Die Crowd agiert insgesamt beweglicher und unabhängiger. Offenbar ein entscheidender Vorteil: Gerade diese Flexibilität, Wendigkeit und Unabhängigkeit scheint der Schlüssel für Überrenditen sein. Zudem verfügt manch einer in der Crowd über solide Kenntnisse, wertvolle Hintergrundinformationen oder absolutes Spezialwissen zu einer bestimmten Aktie und die Crowd-Analysten generieren nicht nur ihr Wissen auf unterschiedlichen Wegen, sondern agieren auch an unterschiedlichen Orten.

Die Wissenschaftler haben auch Sollbruchstellen ausgemacht. Die Crowd sei anfällig für soziale Einflüsse. Die Crowd hänge schnell an den Lippen von sogenannten „Top Tradern“ oder vermeintlichen Gurus. Aber in dem Maße in dem die Unabhängigkeit leidet, nimmt auch die Performance ab.

Schwer feststellbar ist auch, wie unabhängig die Crowd ist. Haben sich professionelle Händler anonym registriert, um ihre Empfehlungen zu „pushen“? Plaudern andere einfach nur drauflos, um sich mit ihrem wenig fundierten Geschwätz wichtig zu machen?

Hinz ist dennoch überzeugt: „Das Potenzial, das die Weisheit der Vielen birgt, ist unglaublich groß.“ Deshalb will er und sein Team nun Strategien entwickeln, um die Einschätzungen der Crowd gezielt nutzen und in profitable Investitionen verwandeln zu können. Wir sind gespannt.

 

Bildquelle: JOTZO JÜRGEN  / pixelio.de

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