Plusvisionen

Einkommensgerechtigkeit trifft Gier-Gewerkschaften

Gestern las ich jenen Tweet von Roland Tichy, Chefredakteur der Wirtschaftswoche:

 


Er schreibt von “Gier-Gewerkschaften” und fragt sich, “wie lange die Bevölkerung noch ruhig hält“. Ich hoffe, er meint damit nicht dass, was man meinen könnte. Ich interpretiere es mal so: Er mag Gewerkschaften nicht sonderlich und möchte sie vermutlich abschaffen, was aber nur Mutmaßungen sind.

Ich frage mich natürlich, kann sich ein Land wie Deutschland, eine Demokratie, die Abschaffung von Gewerkschaften leisten? Sind Einkommen und Vermögen so gerecht verteilt, dass Gewerkschaften obsolet geworden sind, dass durch mögliche Ungleichgewichte keine Gefahr mehr für die Demokratie besteht? Ich meine, Demokratie funktioniert nur gut, wenn es eine breite Mittelschicht gibt, der es gut geht. Schrumpft der Mittelstandsbach und die Ränder oben und unten werden größer ist Wachsamkeit geboten.

Ein paar Zahlen des Statistischen Bundesamts:

38,6 Millionen Steuerpflichtigen erzielten im Jahr 2007 (positive) Einkünfte von 1,2 Billionen Euro.

69,9 Prozent der Steuerpflichtigen hatten im Jahr 2007 Einkünfte unter 35 000 Euro. Auf diese Steuerpflichtigen entfielen 32,0 Prozent der Einkünfte und 14,9 Prozent der Summe aus festzusetzender Einkommensteuer und Jahreslohnsteuer.

16 846 „Einkommensmillionäre“ mit Durchschnittseinkünften von 3,1 Millionen Euro gab es im Jahr 2007. Von ihnen musste jeder im Durchschnitt 1,1 Millionen Euro Einkommensteuer zahlen.

1 Prozent der erfassten Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen in Deutschland erzielte im Jahr 2007 Einkünfte von mehr als 172.000 Euro.

Auf diese 383.000 Steuerpflichtigen entfielen 13,1 Prozent der Einkünfte und 25,0 Prozent der festgesetzten Lohn- und Einkommensteuer.

50 Prozent der Steuerpflichtigen hatte Einkünfte von weniger als 22 500 Euro. Diese Gruppe erzielte zusammen 14,3 Prozent der Einkünfte und trug 3,6 Prozent zur festgesetzten Einkommensteuer bei.

19,3 Millionen oder 50 Prozent der Steuerpflichtigen in Deutschland hatten im Jahr 2007 in etwa so viel Einkommen wie die Top 383.000 oder 1 Prozent der Steuerpflichtigen.

Nachtrag vom 28. März: Die Nominallöhne sind 2013 um 1,4 Prozent gestiegen. Die Teuerungsrate lag bei 1,5 Prozent. Die Reallöhne sanken 2013 dadurch um 0,1 Prozent. Das ist der erste Rückgang seit 2009 als die Reallöhne um 0,2 Prozent zurückgingen (siehe auch Grafikstrecke unten).

Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie festgestellt (siehe auch Grafikstrecke unten):

Erhebliche reale Einkommensrückgänge sind für die mittleren Einkommensklassen beim Haushaltsmarkteinkommen erkennbar. Zu beachten ist, dass in den unteren Einkommensklassen Veränderungen um geringe Beträge bereits zu sehr hohen prozentualen Veränderungen führen.

In den oberen 4 Einkommensklassen zeigt sich ein realer Einkommenszuwachs.

Zwischen 1991 und 2010 hat die Ungleichheit der bedarfsgewichteten Haushaltsmarkteinkommen (Gini-Koeffizient) sowohl in Westdeutschland als auch in Ostdeutschland zugenommen. In der Zeit von 2006 bis 2010 hat die Ungleichheit, trotz Agenda-Politik, allerdings abgenommen.

Angesichts dieser Zahlen stellt sich schon die Frage, ob man wirklich leichtfertig und flapsig von „Gier-Gewerkschaften“ sprechen sollte. Deutschland Demokratie braucht einen gut verdienenden Mittelstand. Dies könnte entweder durch Lohnsteigerungen, Erfolgsbeteiligungen oder über Gewinnbeteiligungen/Unternehmensbeteiligungen in Form von Aktien, die wir Deutsche ja gar nicht so sehr mögen oder einem Mix aus allem geschehen.[divider]

[highlight]Grafikstrecke zu Einkommen und Verteilung zum Durchklicken[/highlight][divider_flat]

 

Bildquelle:

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