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Interview Frank Niehage – FlatexDegiro // Wir könnten von einem Bann profitieren

FlatexDegiro Frank Niehage

Bildquelle: FlatexDegiro

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Frank Niehage, CEO des Online-Brokers FlatexDegiro, zu einem möglichen Payment for order flow-Bann und die eventuellen Auswirkungen auf die Branche sowie die Wahrscheinlichkeit einer Dividende und Aktienkäufen für sein Depot.

Durch einen möglichen Payment for order flow-Bann sehen manche schon düstere Zeiten auf Online-Broker zukommen. Herr Niehage, wie schätzen Sie Auswirkungen auf die Branche und FlatexDegiro ein?
Für Online-Broker, die den Kunden zum Produkt gemacht haben, deren Geschäftsmodell zu 70 oder 80 Prozent auf Payment for Order Flow-Einnahmen basiert, wie zum Beispiel bei Neobrokern, würde so ein Bann große Veränderungen bedeuten. Manche Neobroker gaben bereits bekannt, dass sie die Preise erhöhen würden. Für uns sehe ich das sehr entspannt, weil bei uns das Thema gerade einmal drei Prozent des Umsatzes ausmacht, insofern würde uns das nicht negativ tangieren. Im Gegenteil, wir könnten, wie auch einige Analysten geschrieben haben, zu den Profiteuren gehören, wenn es denn so kommt.

Wie wahrscheinlich ist so ein Bann?
Es liegt ein Entwurf vor, aber entschieden ist noch nichts. Es gibt Argumente dafür und Argumente dagegen. Wir sind immer für Transparenz. Wenn so ein Bann käme, hätte das zweifellos Einfluss auf die Geschäftsmodelle einiger Broker. Vielleicht würde es eine Konsolidierungswelle auslösen, wenn sich die Neobroker dann nicht neu erfänden, viele arbeiten nach wie vor defizitär.

Könnten Sie sich Übernahmen vorstellen?
Zuerst einmal müsste sich eine sinnvolle Gelegenheiten ergeben sowie Preis und Bewertung passen. Falls dem so wäre, stünden wir aber Gewehr bei Fuß. Das Kapital ist genehmigt; es bedarf nur noch der Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, um neues Kapital zu schaffen.

Was müsste ein Kandidat mitbringen, damit er Ihr Interesse weckt?
In den vergangenen Jahren haben wir zwei Akquisitionen erfolgreich durchgeführt: Xcom und Degiro. Dabei waren die Geschäftsmodelle das eine, aber es ging immer auch um Details. Beispiel Degiro: Dort hat die IT komplementär sehr gut gepasst und zudem haben sich die Geschäfte beider Unternehmen geographisch nicht überschnitten. Darüber hinaus gab es Synergien: Wir haben eine Vollbanklizenz, Degiro als Werpapierhandelsbank nicht. Und letztlich natürlich der Preis. Wir haben für Degio 250 Millionen Euro bezahlt, was Flatex letztlich eine Milliarde bis anderthalb Milliarden Euro Marktkapitalisierung brachte. Unsere Prämisse: Eine Akquisition muss zu Wertsteigerungen führen.

Sie könnten neue Kunden kaufen?
Wir wollen bis 2026 auf sieben bis acht Millionen Kunden kommen – heute sind wir bei zwei Millionen Kunden, was ein durchschnittliches Kundenwachstum von gut einer Millionen Kunden im Jahr bedeuten würde. Wir setzen 50 Euro Akquisitionskosten pro neuem Kunden an; somit kostet uns das Kundenwachstum künftig im Schnitt pro Jahr 50 Millionen Euro. Warum also 500 Millionen Euro für eine Übernahme mit all den möglichen Problemen ausgeben? Uns ginge es bei einer Akquisition um Skalierbarkeit, da wir unseren Kunden ein Top-Preisangebot bieten wollen, wozu wir die Kosten im Griff haben müssen. Nach dem Kauf von Degiro konnten wir die internen Kosten je Transaktionen von 1,44 auf 0,70 Euro senken. Der nächste Schritt wären 0,50 Euro. Eine Übernahme wäre eine Möglichkeit eventuell noch niedrigere Werte zu erreichen.

Könnte der Kauf eines Krypowährungsanbieters für Sie interessant sein?
In diesem Bereich können wir noch keine Expertise vorweisen. Generell ist für uns, mit wachsendem Kundenstamm, eine Vertikalisierung des Geschäftsmodells ein wichtiges Thema. In Zukunft könnte ich mir vorstellen, dass FlatexDegiro seinen Kunden Versicherungsprodukte, Immobilienkredite oder Vermögensverwaltungsdienstleistungen anbietet. Hier könnten intelligente Partnerschaften oder auch Zukäufe sinnvoll sein.

Was wollen Sie Ihren Kunden im kommenden Jahr bieten?
Wir werden Flatex Next als Desktop-Version anbieten und die App in Österreich ausrollen. Integriert darin, wollen wir den Kunden stärker zeigen, was bei ihren Aktien passiert und wie andere Kunden gehandelt haben, die ähnliche Werte im Depot haben. Wir wollen Impulse geben sich mit Wertpapieranlage zu beschäftigen.

Wie realistisch ist ein weiteres rasantes Kundenwachstum bei FlatexDegiro?
Angesichts der schwachen Digitalisierungsquote in einigen Teilen Europas ist das sehr realistisch. Die Nutzungsquoten innerhalb Europas, was Online-Brokerage betrifft, wird sich angleichen. In manchen Ländern liegen diese unter zehn Prozent und in manchen bei rund 50 Prozent. Die EU hat ein 450 Milliarden Euro Hilfspaket wegen Corona verabschiedet. 20 bis 30 Prozent davon dürften in die Verbesserung der digitalen Infrastruktur fließen. FlatexDegiro hat ein Kundenpotenzial in Europa von 250 Millionen identifiziert, die heute noch keine Online-Brokerage nutzen. Davon wollen wir in den kommenden fünf Jahren fünf bis sechs Millionen gewinnen. Wir halten das für ein eher konservatives Ziel.

In der Flatex-DNA ist sozusagen der Trader verankert. Sehen Sie auch Kundenwachstumspotential bei den Sparern?
Unsere App Flatex Next spricht bewusst Sparer ohne großes Vorwissen an. Dann haben wir noch rund 3.000 ETF- und Fondssparpläne im Angebot, mit denen Kunden mit Beträgen ab 25 Euro Altersvorsorge betreiben können – und das komplett gebührenfrei.

Bleibt es bei Ihrer Prognose für 2021 und wie ist Ihr Ausblick auf 2022?
Die Guidance für 2022 kommt im Januar. Da bitte ich noch um etwas Geduld. Nur soviel: Wir wollen weiter wachsen, wir wollen in den MDAX aufrücken, wir werden weitere Produkte einführen und wir werden in ganz Europa eine Dokumentarserie zur Finanzbildung starten, worin beispielsweise erklärt wird, wieso Warren Buffett erfolgreicher als andere ist. Das Projekt Kryptotrading läuft bei uns auch weiter.

Sie sprachen nun viel über Wachstum, wie ist Ihr Ausblick für die Margen?
Wenn Sie unsere Ziel bis 2026 ansehen, geht unsere Marge in Richtung 60 Prozent plus, von derzeit unter 50 Prozent. Wir wollen unser Geschäft noch weiter skalieren – und können das auch, weil wir mehr als 90 Prozent unserer Wertschöpfungskette unter Kontrolle und somit die Kosten im Griff haben.

Wie sieht es mit einer Dividende bei FlatexDegiro aus?
Derzeit gibt es keinerlei Bestrebungen für eine Dividende. Wir wollen weiter in Wachstum investieren beziehungsweise unser Pulver trocken halten, für mögliche Übernahmen bei einer Branchenkonsolidierung. Interessanter wäre vielleicht noch ein Aktienrückkaufprogramm, bei dem aktuell niedrigen Kurs, aber dazu braucht es einen Hauptversammlungsbeschuss, den wir derzeit nicht haben. Wer sich jedoch die Director‘ Dealings ansieht, dem wird nicht entgangen sein, dass ich in den vergangenen Monaten kräftig FlatexDegiro-Aktien nachgekauft habe. Das zeigt, dass ich den Analysten glaube, die unseren Aktienkurs für deutlich unterbewertet halte.

Herr Niehage, vielen Dank für das Interview!

Bildquelle: FlatexDegiro
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