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Interview Frank Niehage – Flatex // Europas ersten Finanzsupermarkt aufbauen

Frank Niehage Flatex

Bildquelle: Flatex, Frank Niehage

Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Frank Niehage von Flatex zu strategischen Neuorientierungen, zum Null-Gebühren-Brokerage, Innovationen in der Branche, künftigen Gewinnquellen und der Bewertung der Aktie.

Herr Niehage, ist Größe im Online-Brokerage alles?
Keineswegs. Das wichtigste ist und bleibt die nachhaltige Qualität und Verlässlichkeit. Nach 14 Jahren Erfahrung, über 180 Millionen Eigenkapital im Konzern und 100 Prozent Uptime in der Krise trennt sich sukzessive die Spreu vom Weizen in unserer Industrie. Wir haben gerade ein Rekord-Quartal abgeschlossen. Gemeinsam haben Flatex und Degiro in den ersten drei Monaten des Jahres über 170.000 Neukunden gewonnen und sind in 18 Ländern vertreten. Die Zahl der Transaktionen im selben Zeitraum, natürlich durch die Krise angefacht, ist auf 17 Millionen gestiegen. Das ist ein Plus von 130 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir verdienen pro Trade.

Im vergangenen Sommer sollte Flatex – ehemals Fintech Group – verkauft werden, zumindest schien es so. Sahen Sie für das Unternehmen keine Wachstums-Perspektive mehr?
Wir haben immer von einem strategischen Review gesprochen, was alle Richtungen einschließt. Eine solcher Review ist aus meiner Sicht Good Governance und voll im Sinne unserer Aktionäre. Zu Marktspekulationen, etwa wenn es zeitweise um einen Verkauf ging, konnten wir uns jedoch in dieser Periode nicht äußern.

Und dann hat Flatex Degiro gekauft und ist europäisch kräftig gewachsen.
Das Ergebnis spricht für sich: Wir wachsen zusammen und bauen Europas ersten Finanzsupermarkt auf. Bei uns erhalten die Kunden das Preis-Leistungs-Angebot, das nur ein unabhängiger Anbieter, der nicht unter dem Einfluss von Großbanken steht, überhaupt aufbauen kann.

Welche Innovationen sehen Sie künftig für das Brokerage?
Auch hier steht das Angebot an den Kunden im Zentrum: Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt bei Flatex die Möglichkeit zum Late Trading. Das nutzen insbesondere Arbeitnehmer in den Abendstunden gerne, die sich in Ruhe entscheiden wollen, wie sie ihr Portfolio positionieren. Davon können bald auch Degiro-Kunden profitieren. Umgekehrt wartet ein erweitertes Produktangebot auf Flatex-Kunden, da Degiro etwa Wertpapierleihe anbietet.

Werden die Preise für die Kunden wieder steigen? Sie haben ab März 2020 bereits eine Depotgebühr eingeführt.
Die Gebühren steigen in der gesamten Branche. Ich habe das bereits vor zwei Jahren vorausgesagt. Flatex ist und bleibt aber der Preis-Leistungs-Sieger. Man sollte stets das Angebot ganzheitlich betrachten und die Qualität und Verlässlichkeit dabei nicht außer Acht lassen.

Werden die Deutschen, die Europäer noch zu Aktionären? Der jüngste Kurssturz könnte wieder Vertrauen gekostet haben.
In Europa sind wir noch weit entfernt von amerikanischen Verhältnissen. In den USA investieren ganzen Generationen in Einzelaktien wie Amazon, Apple oder Tesla. Aber wir verzeichnen weiterhin ein steigendes Interesse an ETFs und Sparplänen. Das entspricht dem europäischen Wunsch nach Diversifizierung.

Oder ist Ihnen eine hohe Volatilität lieber?
Angesichts der aktuellen Situation, befürchte ich, dass wir eine lange volatile Phase vor uns haben. Jetzt ist es umso wichtiger,  dass wir für unsere Kunden schnell erreichbar sind. Wir pochen auf 100 Prozent Uptime unserer Online Erreichbarkeit. Auch die heftigen Preisbewegungen des West Texas Intermediate – WTI – Rohöl Future Contracts am 21. April 2020 haben uns nicht aus dem Takt gebracht. Es gab keinerlei Nachschusspflichten.

Bleiben die aktiven Händler – Trader – Ihre Kernkundschaft?
Ja.

Werden die Margen im Brokerage mit Null-Gebühren-Brokern gegen null tendieren?
Unsere Marge steigt mit jedem zusätzlichen Trade auf unserer Plattform – und wir haben noch hohe Kapazitäten. Außerdem haben wir gemeinsam mit Degiro selbstverständlich eine höhere Bargaining Power; können also die besten Konditionen rausholen.Wir nutzen unsere Einkaufsmacht für ein optimales Preis-Leistungs-Angebot.

Degiro machte aus 470.000 Kunden und 18,6 Millionen Transaktionen einen Nettogewinn von zehn Millionen Euro; bei Flatex bleiben unter dem Strich 18 Millionen Euro bei 306.000 Kunden und 11,5 Millionen Transaktionen. Was machte Flatex richtig und Degiro falsch?
Degiro und Flatex sind ein Glücksfall. Die beiden Modelle ergänzen sich, sodass wir gemeinsam eine enorme Reichweite und das top Set-Up von Flatex hebeln können. Degiro wird übrigens als Marke erhalten bleiben, da es in Europa ein wertvoller Brand ist.

Welchen Einfluss hat die Zinslandschaft auf Ihre Erträge?
Wir haben unser Schiff in den guten Zeiten sturmfest gemacht und unsere Depositen aktiv gemanagt. Nun profitieren wir von einem vollbesicherten Kreditbuch mit stabilen Erträgen. Wir sehen das Zinsniveau neutral.

Welche Betriebsgewinn-Marge – Ebit – sehen Sie für das Unternehmen Flatex in Zukunft?
Ich kann unsere Guidance bekräftigen: Wir rechnen mittelfristig weiterhin mit 300 Millionen Euro Umsatz, zeigen dann ein Ebitda von 150 Millionen Euro, was etwa drei Euro Ertrag pro Aktie bedeutet.

In welchen Bereichen wollen Sie mit Flatex Geld verdienen beziehungsweise weiter wachsen? Welche Bereiche erachten Sie als besonders margenstark?
Unsere Stärken beim Kunden sind die drei P: Preis, Produkt, Plattform. Neben der hauseigenen Abwicklungsplattform, die uns kostenseitig unabhängig macht, ziehen wir unsere Marge aus einem unabhängigen Produktangebot. Wir bestimmen also wie im Supermarkt, wer wo ins Regal kommt. Diese Positionierung haben wir schon im Bereich von Hebelprodukten und Zertifikaten für den Kunden und uns nutzen können. Mit Degiro können wir unser unabhängiges Produktangebot ausbauen.

Sind Sie zufrieden mit der Börsenbewertung der Flatex-Aktie?
Das Management sichert das Wachstum und die Profitabilität des Unternehmens. Die faire Bewertung findet der Markt. Aber natürlich freut es mich, dass unser langjähriger und  erfolgreicher Track Record zu sehr viel Vertrauen ins Management geführt hat. Einige aktuelle Analysen guter Adressen sprechen von mehr als 50 Prozent Upside.

Soll Flatex weiter anorganisch wachsen? Stehen Kapitalerhöhungen zur Finanzierung weiteren anorganischen Wachstums an?
Wachstum ist kein Selbstzweck. Invest und Return müssen hoch positiv sein, um die Investitionen zu rechtfertigen. Wir beobachten jedoch den Markt weiterhin ganz genau. Vergessen Sie nicht, dass wir auch nach der Degiro Transaktion schuldenfrei bleiben und damit bestens für weiteres anorganisches Wachstum positioniert sind.

Bildquelle: Flatex
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