Plusvisionen

Mauern aus Geld // Hat der Kapitalismus eine Zukunft?

9. November. 25 Jahre Mauerfall. Was heißt das eigentlich aus der Sicht der Wirtschaft? Hat der Kapitalismus/Liberalismus nun über den Sozialismus/Kommunismus gesiegt? Für was steht der Kapitalismus ein viertel Jahrhundert später? Steht längst wieder eine gesellschaftliche Mauer? Und, wird der Kapitalismus womöglich ebenso kläglich scheitern wie einst die sozialistische Wirtschaft der DDR? Am Ende war die DDR wirtschaftlich vor allem eins: total Pleite. Überkommene Industriestrukturen, geringe Produktivität, bröckelnde Straßen und Fassaden, Umweltverschmutzung, Mangelwirtschaft … Autos, Telefone und wer weiß noch alles, nur auf Zuteilung und langem Warten.

Wenn ich als Kind und Jugendlicher (von der Hochrhön aus) in die DDR blickte, empfand ich dies vor allem grau, trist und eingeengt. Dabei waren die Dörfer auf unserer Seite der Grenze keineswegs Wohlstandsregionen, aber es schien doch wirtschaftlich (und auch rein farblich) besser zu laufen als drüben.

Obwohl ich als Kind noch nichts von Liberalismus gehört hatte und auch später als ich mich für Karl Marx‘ Das Kapital begeisterte (wegen der scheinbaren Gerechtigkeit), war ich doch, insgeheim, sehr zufrieden nicht nicht der Zone (so sagte man bei uns) leben zu müssen. Wir hatten schließlich die Amis. Und die hatten eine PX (Post Exchange). In der sogenannten Housing Area der Garnison waren das Supermärkte. Im Vergleich zu unseren Dorfläden hatten diese gigantische Ausmaße und es gab alles und alles war gewaltig groß. Eis, Chips, gefrorene Hamburger oder Truthähne hatten solche Ausmaße, dass sie nicht in damals übliche deutschen Kühlschränke passten. Mich hat das sehr staunend gemacht. Die Amis waren herrlich entspannt und bei ihnen schien wirklich vieles möglich, auch wenn sie etwas beliebig waren. Irgendwie wirkte das ansteckend.

Wohlstand für alle (nicht Reichtum, wie vor einiger Zeit noch von einer linken Partei propagiert) und möglichst viel Freiheit für den Einzelnen. Dinge anstoßen können, sich (weitgehend) ungehindert bewegen zu können. Für mich schien das ein Ideal zu sein – und ist es auch heute noch. Über den Osten hörte man von Schlangestehen, Bückware, Alumark, die im Ausland nichts wert war, was aber offenbar nicht weiter zu störte, weil man die eigenen Leute ohnehin einsperrte und sah aus der Ferne grimmige Grenzer. Das konnte es nicht sein.

Aber das alles war auch weit vor dem Mauerfall und noch weiter vor der Finanzkrise im Jahre 2008. Das war in den achtziger Jahren. Damals hat es den Eindruck als könne die DDR nur mit Krediten aus dem Westen überleben. Ausgerechnet der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Joseph Strauß hatte 1983 gemeinsam mit DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski eine Milliardenhilfe für die DDR eingefädelt. Sollte uns das eine Mahnung sein? Überleben auf Pump? In der DDR gab es ein kleine Machtelite. Heute besitzen auf dem Globus 85 Menschen so viel wie die untersten 3,5 Milliarden. Unser Papiergeldsystem ist so angelegt, dass Geld nur durch Kredite entsteht. Das Problem: Auf Dauer sammelt sich das Vermögen bei Wenigen und die Schulden bei Vielen. Die aktuellen Gelddruckaktionen der Notenbanken (Quantitative Easing) begünstigen vor allem die Vermögenden. In den USA haben das reichste ein Prozent 95 Prozent des Wachstums nach der Finanzkrise 2008/2009 vereinnahmt, während die unteren 90 Prozent ärmer geworden sind.

Soll das die Zukunft sein? Ein inhaltsleerer Liberalismus, der für nichts mehr steht und wenn, dann nur für den Mammon und zunehmende Ungleichheiten wie in einer Feudalgesellschaft? Der in der arabischen verachtet wird und den bei uns immer mehr kritischer sehen? Man sollte den Liberalismus stattdessen wieder mit Werten wie Freiheit, Auskommen, Verantwortungsbewusstsein und der Freude am Voranschreiten beleben. Wir brauchen aber keinen Liberalismus, der Bekehrungsliberalismus sein will, genauso wenig wie wir Mauern aus Geld brauchen.

Bildquelle: steffne / photocase.de

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