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Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Rüdiger Safranski zu Geld und Moral

Rüdiger Safranski ist Denker, Philosoph, Professor und Schriftsteller.

Mit der Bitte um möglichst knappe, also effiziente Antworten, schließlich geht es um Ökonomie.

Wir suchen nach dem kürzesten Weg. Wollen, in der Regel, möglichst viel Geld für möglichst wenig Arbeit und so weiter. Sind wir alle Ökonomen?
Letztlich kann man alles in Geld umrechnen, alles hat seinen Preis, wenn man es zulässt, vom Betstuhl bis zum Bordell. Doch es ist die Frage, wie weit wir uns auf das Mysterium des Geldes einlassen. Der Geldbesitz ist höchst unterschiedlich, aber in Bezug auf die konkreten Werte ist das Geld der große Gleichmacher. Qualitäten werden in Quantitäten umgerechnet. Ja, unsere Beschleunigungsökonomie ist von Menschen gemacht. Noch nie gab es eine so große Gleichzeitigkeit von globalen Ereignissen, die auf uns einprasseln. Wir bekommen alles in Echtzeit mit und können nur selten wirklich eingreifen ins Geschehen. So wächst mit den Informationen auch die Hysterie oder die Abgebrühtheit, auf jeden Fall aber die Hilflosigkeit. Das kann sogar zu einer neuen Barbarei führen. Die Machtfrage: Wer wird künftig die Zeit diktieren, Demokratien oder die Finanzwelt?

Er verrichte Gottes Auftrag, behauptete Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein einmal. Nietzsche meinte: Gott ist tot. Zugleich sagte er, der Glaube lasse eine Sklavenmoral entstehen, die zur Ausbeutung anderer führe. Ist unser Finanzsystem eine Art neue Religion?
Ja. Diese religiösen Energien gab es schon immer. Früher flossen sie bei uns ins Christentum. Heute gibt es beispielsweise einen Fan-Kult. Einzelne werden dort wie Heilige verehrt. Aber auch die Wirtschaft- und das Geld ist zu einer Art Religion geworden, sogar mit Belohnungs- und Bestrafungsmechanismen. Die einen steigen auf, die anderen ab. Wobei auch das nicht neu ist: Schon bei Johannes Calvin im 16. Jahrhundert war der wirtschaftliche Erfolg im Diesseits ein Anzeichen dafür, dass die göttliche Gnade auf einem ruht. Gute Chancen für einen Platz im Himmel.

Die Finanzkrise zeigte auch: Der Markt macht, was er will. Sind Finanzmärkte nihilistisch? Brauchen wir ein anderes Wertesystem?
Wir dürfen vor allem nicht in eine Dogmenstarre verfallen, in der alles alternativlos wird. Nicht der Markt hat die Macht, sondern der demokratische Staat. Er kann durch Gesetze verbieten oder einschränken. Wenn der Gesetzgeber Bankfeiertage regelt, wieso dann nicht auch andere Dinge. Man sollte sich nicht zu klein machen, sondern den Willen zur Veränderung aufbringen.

Adam Smith sagte, es reiche das Gewinnstreben des Einzelnen, um den gesellschaftlichen Reichtum und das Glück zu mehren. Die unsichtbare Hand des Marktes regle es schon. Müssen Märkte moralisch sein?
So etwas hat noch nie funktioniert. Es braucht einen Rahmen. Ob all die Privatisierungen der Vergangenheit etwas gebracht haben? Gewinnmaximierung in Krankenhäusern? In meiner Heimat kaufen Kommunen inzwischen wieder zurück, was vor einigen Jahren verkauft wurde. Aber es gibt zweifellos auch das Bedürfnis nach Privatheit und Individualität. Zu viel Staat ist auch schlecht. Das schränkt ein, erstickt Eigeninitiative und Ideen. Dogmatismus ist auch hier Unsinn. Monokulturen, ob die des Marktes oder des Staates, sind immer von Übel. Es kommt auf die Balance an.

Vilfredo Pareto definierte sein Optimum so, dass jeder seine individuelle Situation verbessern dürfe, solange es keinem schlechte dabei gehe. Wie viel Egoismus und Freiheit ist erlaubt im Kapitalismus?
Hier ist auch die Zeit ein wesentlicher Faktor. Wenn wir anfangen, Probleme, Abfall oder Schulden aufgrund eines wirtschaftlichen Egoismus auf spätere Generationen abzuwälzen, dann ist das wohl nicht mehr gerechtfertigt. Egoismus mit Endverbraucher-Mentalität – das geht nicht!

Plusvisionen.de sprach mit Rüdiger Safranski auf dem DAB Investmentkongress 2014, wo er über „Die bewirtschaftete Zeit“ redete. Gerne hätten wir noch weiter mit ihm über Zeit, Geld und Wirtschaft philosophiert, aber die Zeit war schnell vorbei – und der nächste Termin stand an.

 

Bildquelle: Screenshot [bearbeitet]

 

 

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