Jetzt in einen deutschen Spezialchemie-Wert wie Alzchem investieren? Gewagt, schließlich befindet sich Deutschland in einer Rezession – oder steht kurz davor, je nach Definition – und hat zudem ein eklatantes Energieproblem. Große Chemieunternehmen wie BASF verlagerten deswegen schon Produktionen in Ausland. Doch Alzchem steuert bislang, mit seinen führenden Marktpositionen in Nischen, recht erfolgreich durch die Krise.
Im Neun-Monatszeitraum 2022 wuchs der Umsatz um 31 Prozent auf 409,0 Millionen Euro. Allerdings: Wesentliche Treiber dieser positiven Umsatzentwicklung waren überwiegend Preiserhöhungen und Wechselkurse. Dank der guten Branchenstellung konnten die höheren Stromkosten wohl an die Alzchem-Kunden weitergereicht werden.
Die wesentlichen Erzeugnisse der Alzchem-Gruppe basieren auf denselben Ausgangsstoffen, nämlich Kalk und Kohle. Daraus wird Spezialdünger, Tiernahrung, Nahrungsergänzungsmittel für Menschen und Vorprodukte für die Pharmaindustrie, für die Feinchemie sowie für die Metallurgie produziert.
Derzeit konzentriert sich Alzchem, aufgrund der höhermargigen Umsätze, auf die Spezialchemie, auch weil dort der Energieeinsatz nicht so intensiv ist. So konnten im Bereich Specialty Chemicals nicht nur die Umsätze von 163,2 auf 214,5 Millionen Euro gesteigert, sondern auch die abgesetzten Mengen ausgebaut werden. Sehr stabil zeigte sich die Nachfrage im Human-Nutrition-Markt, in der Stahl- und Pharmaindustrie sowie in der Automobilbranche.
In den ersten neun Monaten sank der Betriebsgewinn (Ebit) von Alzchem letztlich dennoch von 31,7 auf 28,1 Millionen Euro, womit sich auch die Ebit-Marge von 10,2 auf 6,9 Prozent reduzierte. Die Ebitda-Marge ging um 4,4 Prozentpunkte auf 11,5 Prozent zurück – die höheren Energie- und Materialpreise schlagen dann doch durch. Unter dem Strich verbesserte sich das Halbjahresergebnis je Aktie um sieben Prozent auf 2,29 Euro.
Für das Gesamtjahr prognostiziert Alzchem einen Umsatz von 520 Millionen Euro (Vorjahr: 422 Millionen Euro) und ein stabiles (bereinigtes) Ebitda (Vorjahr: 62 Millionen Euro). Die Risiken für die Gewinnentwicklung bleiben die Energiepreise und inwieweit diese an die Kunden weitergegeben werden können. Hinzu kommt, dass einzelne Vormaterialproduzenten ihre Produktion gedrosselt haben, wegen hoher Energiepreise. Hier hilft Alzchem derzeit (noch) eine deutlich höhere Vorratshaltung, die aber auch kostet.
Die Börse bewertet die Aktie entsprechende vorsichtig mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von geschätzten sechs, bei einem prognostizierten Gewinn je Aktie für 2022 von 2,50 Euro. Sollte eine Dividende von 0,80 Euro ausgeschüttet werden (Hauptversammlung am 11. Mai 2023), dann ergäbe sich aktuell eine Dividenden-Rendite von fünf Prozent.
Das Unternehmen notiert mit einem Börsenwert von derzeit 161 Millionen Euro in der Nähe des Eigenkapitals von 139 Millionen Euro, wobei sich auch noch knapp 300 Millionen Euro Fremdkapital in der Bilanz finden, das bei steigenden Zinsen belasten kann.
Alzchem ist ein spannendes Unternehmen, bei dem die Börse schon einige Risiken eingepreist hat. Charttechnisch könnte die Wende im Bereich von 14 Euro (Umkehrformation 2020) gelingen.
Alzchem-Aktie (Tageschart): Unterstützungszone