Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Adi Drotleff (im Bild oben, rechts), Chairman der Mensch und Maschine Software (MuM) und CFO Markus Pech über neue Rekorde im ersten Halbjahr 2024 und über ein Wow-Erlebnis in der bewegten Börsengeschichte des Unternehmens.
Herr Drotleff, für Leser, die Mensch und Maschine Software SE (MuM) nicht kennen, können Sie kurz erläutern, was die Gesellschaft macht und was Sie besser machen als der Wettbewerb?
Adi Drotleff: MuM ist Entwickler technischer Software oder CAD/CAM, also Planung, Berechnung, Fertigung und Betrieb von Geräten, Bauwerken oder Infrastruktur und zwar in zwei Segmenten. MuM Software entwickelt Standardlösungen in lukrativen Nischenmärkten, während das Segment Digitalisierung kundenspezifische Softwareprojekte erstellt.
Was machen wir besser? Wir konzentrieren uns darauf, den Kunden Ressourcen-Einsparungen zu ermöglichen, was Material, Zeit und Arbeitskraft betrifft. Bestes Beispiel ist unsere CAM-Software, die Werkzeugmaschinen-Betreibern eine Reduktion der Bearbeitungszeiten ermöglichen und so die Amortisation dieser sehr teuren Maschinen um den Faktor zwei bis fünf beschleunigen. Und nebenbei wird auch noch mit demselben Faktor Strom eingespart.
40 Jahre MuM, 27 Jahre Börsennotiz: Wie haben Sie diese Jahre erlebt, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, was würden Sie rückblickend – vielleicht – anders machen?
Drotleff: Die Geschichte von MuM deckt sich praktisch genau mit dem Siegeszug des Personal Computers, wir haben also aktiv daran mitgewirkt, Rechnerleistung an den Arbeitsplatz des Anwenders zu bringen. Wenn man als 30-jähriger eine kleine Firma gründet, kommt man im Traum nicht darauf, dass daraus mal ein weltweit agierender Konzern mit über tausend Mitarbeitern werden könnte, der auch noch an der Börse notiert ist. In den 40 Jahren gab es nicht nur Erfolge, sondern auch Rückschläge zu verzeichnen, und rückblickend würde ich sagen, dass wir aus letzteren am meisten gelernt haben.
So war zwar der IPO 1997 als achter Wert am Neuen Markt ein Wow-Erlebnis, vor allem weil die MuM-Aktie 178-fach überzeichnet war. Und darauf folgte die hochinteressante Expansion in Europa und unsere Technologie-Offensive, mit der wir durch Übernahmen unseren Anteil an eigener Software gesteigert haben. Aber dann kam das Ende der sogenannten New Economy ab 2002, die uns in eine ernste Krise gestürzt hat, aus der wir erst 2005 wieder herausfinden konnten. Daraus haben wir vor allem gelernt, dass die Kombi Akquisitionen und Fremdfinanzierung sehr gefährlich sein kann. Alles im (Geschäfts-) Leben ist eben eine Frage der Balance.
MuM entwickelt selbst Software, ist aber auch Platin-Partner des Software-Lieferanten Autodesk. Dieser stellt gerade sein Geschäftsmodell um. Was ändert sich?
Drotleff: Autodesk vollzieht den von langer Hand vorbereiteten Wechsel von Wiederverkauf auf ein reines Partner-Provisionsmodell, und zwar seit Juni in Nordamerika und ab Mitte September bei uns in Europa. Dabei behalten aber die Platinum-Partner, von denen wir weltweit einer der größten sind, ihre Aufgabe als Betreuer ihrer Autodesk-Kunden und deren Softwarelizenzen, und zwar sowohl Pre- als auch After-Sales.
Welche Auswirkungen hat das auf MuM mit Blick auf die Bilanz, auf Umsätze und Erträge?
Drotleff: Gut hundert Millionen Euro an Autodesk-Einkauf entfällt, entsprechend sinkt der Umsatz, aber ohne Einfluss auf die Erträge, was die Margen nach oben gehen lässt. Die Rohmarge wird von gut 52 Prozent in 2023 auf rund 80 Prozent in 2025 steigen, die Betriebsgewinn-Marge – Ebit – von 14,5 auf rund 22,0 Prozent. Das Working Capital sinkt analog zum Umsatz, was die Bilanz extrem verschlanken wird. Diesen Effekt dürfte man schon zum Jahresende 2024 deutlich sehen.
Herr Pech, MuM gelang ein fulminantes erstes Halbjahr 2024, es war das stärkste in der Firmengeschichte. Der Umsatz verbesserte sich um 0,9 Prozent auf 176 Millionen Euro und der Betriebsgewinn – Ebit – stieg um 6,3 Prozent auf 28 Millionen Euro. Was waren die Treiber?
Markus Pech: Unser Rohertrag ist durch ein stärkeres Gewicht des Eigengeschäfts überproportional zum Umsatz um 6,2 Prozent geklettert, was wir in Kombination mit unserer gewohnten Kostendisziplin auch in einen entsprechenden Ebit-Anstieg ummünzen konnten.
Dürfen die Aktionäre auf ein ähnliches zweites Halbjahr hoffen?
Pech: Die Aktionäre dürfen sogar auf ein besseres Wachstum im zweiten Halbjahr hoffen, da im Vorjahr die ersten sechs Monate außergewöhnlich stark waren, beim Ebit waren es rund sechs Millionen Euro Differenz. Dieses Jahr erwarten wir ein viel gleichmäßigeres Muster, deshalb bleiben wir bei unserer Ergebnis-Prognose von zehn bis 20 Prozent Zuwachs im Gesamtjahr.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 lag der Gewinn je Aktie bei 1,72 Euro und die Dividende mit einem Plus von 18 Prozent bei 1,65 Euro. MuM schüttet damit fast den gesamten Gewinn aus. Bleibt da noch Kapital für Zukunftsinvestitionen?
Pech: Unsere größte laufende Zukunftsinvestition ist die Weiterentwicklung der eigenen Software, für die wir 2023 über 24 Millionen Euro ausgegeben haben. Das wird bei uns nicht aktiviert, sondern geht als Betriebskosten direkt durch die GuV, also quasi mit null Jahren Abschreibung. Deshalb können wir unseren Gewinn praktisch voll an die Aktionäre ausschütten, ohne auch nur im geringsten unsere Zukunft zu gefährden.
In welcher Größenordnung erwarten Sie Gewinn je Aktie und Dividende im laufenden Jahr 2024?
Pech: Unsere Prognose liegt bei plus zehn bis 20 Prozent auf 189 auf 206 Cent Gewinn pro Aktie und wir planen eine Dividende zwischen 185 und 195 Cent für 2024.
Ihr aktueller Halbjahresbericht steht unter dem Motto „Digitalisierung ist Nachhaltigkeit“. Könnten Sie das bitte an einem konkreten Beispiel erläutern?
Drotleff: Grundlage unseres Geschäftsmodells ist, wie vorhin schon erwähnt, die Einsparung von Ressourcen. Insofern sind bei uns Ökonomie und Ökologie in absoluter Harmonie, der Gürtel wird beim Kunden quasi nur enger geschnallt, weil man dank MuM-Hilfe deutlich schlanker geworden ist.
Wir haben kürzlich den Praxisbericht unseres Kunden Rosenberger OSI mit Sitz in Augsburg auf mum.de online gestellt, der mehr als 99 Prozent Zeitersparnis mit unserer Varianten-Konstruktion-Software customX erzielt hat. Ähnliche Beispiele finden Sie auf unseren Homepages zuhauf, wenn auch nicht immer mit 99 Prozent Einsparung. Aber man kann ohne Übertreibung sagen, dass unsere Entwickler Projekte mit weniger als 30 Prozent Optimierungsgrad als nicht ehrgeizig genug einstufen würden.
In der Vergangenheit bewegte sich der Aktienkurs im Wesentlichen entlang des Zwei-Prozent-Dividenden-Rendite-Pfads, 2023 kippte das. Ist die Börse skeptischer hinsichtlich der MuM-Aktie geworden oder ist diese Entwicklung rein dem gestiegenen Zinsniveau geschuldet?
Drotleff: Als Anleger habe ich darauf schon kürzlich eine Antwort gegeben, indem ich einen Großteil meiner Dividenden-Rechte in mehr als 130.000 MuM-Aktien zum Kurs von 57,17 Euro getauscht habe, wie man der Directors-Dealings-Meldung vom 7. Juni 2024 entnehmen konnte. Geht man von 1,90 Euro, dem Mittelwert unserer Dividenden-Prognose aus, dann bekomme ich nächstes Jahr für diese Aktien schon eine Anfangs-Rendite von gut 3,3 Prozent – da konnte ich einfach nicht widerstehen.
Herr Drotleff, Herr Pech, vielen Dank für das Interview.