Die vergangenen drei Jahre bewegt sich die Aktie der Reederei Ernst Russ seitwärts. Ein Grund dafür ist schnell gefunden: 2022 gab es einen Peak bei den Fracht-Raten, anschließend haben sich diese, gemessen am Shanghai Containerized Freigth Rate Index (SCFI) bis 2023 rund gefünftelt. Erst dann ging es wieder kräftiger nach oben und danach (2024) wieder deutlicher zu fallen. Grob ist diese Entwicklung auch am Kursverlauf der Ernst Russ-Aktie abzulesen (siehe Tageschart unten). Der Kursanstieg im Mai 2024 hängt freilich auch mit der Dividende in Höhe von einem Euro pro Aktie für das Geschäftsjahr 2023 zusammen.
Der Container-Schifffahrt machen Überkapazitäten, Nearshoring, der konjunkturellen Probleme in China, Lieferkettenprobleme oder die Kriege in Russland und Nahost sowie die Konflikte im Roten Meer zu schaffen. Bei Ernst Russ sanken dadurch die Umsatzerlöse in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 20,2 Millionen Euro auf 129,1 Millionen Euro. Dies resultierte insbesondere aus dem erwarteten Rückgang der erzielten durchschnittlichen Charter-Rate von 20.053 Dollar pro Tag auf 17.432 Dollar.
Das Betriebsergebnis (Ebit) von 56,6 Millionen auf 51,3 Millionen Euro und das Konzernergebnis nach Minderheitsanteilen gab um 2,4 Prozent auf 33,9 Millionen Euro nach. Angesichts des kräftigen Umsatzrückgangs präsentiert sich das Ergebnis recht stabil.
Für das Geschäftsjahr 2024 erwartet die Ernst Russ angesichts der weitgehend abgesicherten Beschäftigungssituation der eigenen Schiffsflotte (96,6 Prozent Auslastung in den ersten drei Quartalen) Umsatzerlöse in einer Bandbreite zwischen 155 und 175 Millionen Euro und ein Ebit zwischen 47 und 67 Millionen Euro. Laut Vorstand Robert Gärtner auf der Münchner Kapitalmarkt Konferenz (MKK) dürfte in beiden Fällen eher das obere Ende erreicht werden.
Erstaunlich ist die Substanz von Ernst Russ: Bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 198,8 Millionen Euro kommt die Reederei auf ein Schiffsvermögen (Buchwert) von derzeit 230,0 Millionen Euro – der Marktwert dieser Schiffe, soll, so Gärtner, bei rund 417,0 Millionen Euro liegen. Der Schiffsbuchwert hat sich in den ersten drei Quartalen um 21,8 Millionen Euro vermindert, weil ein (altes) Schiff stillgelegt wurde (nun 29 Schiffe, ein weiteres soll demnächst beauftragt werden und ab 2027/28 auf den Weltmeeren unterwegs sein).
In der Bilanz findet sich ein Eigenkapital von 260,8 Millionen Euro (175,6 Millionen Euro den Anteilseignern zurechenbar) und ein Cash–Bestand von 92,4 Millionen Euro, bei lediglich 2,3 Millionen Euro Bankverbindlichkeiten. Anders ausgedrückt: für jeden Euro, den ein Anleger an der Börse für Ernst Russ zahlt, bekommt er 1,77 (1,36) Euro Unternehmen. Kein schlechter Deal, sofern Ernst Russ in den kommenden Jahren keine (hohen) Verluste macht.
Ernst Russ leidet unter den konjunkturellen Herausforderungen, steigenden Kraftstoffpreisen, dem Mangel an Seeleuten (Kapitänen), zudem werden durch die Digitalisierung Investitionen in neue Schiffe erforderlich, da sich alte Schiffe oft nicht umrüsten lassen. Dennoch schlägt sich Ernst Russ wacker. Attraktiv ist auch die voraussichtliche Dividende von 20 Cent je Aktie (nächste Hauptversammlung wahrscheinlich im Mai 2025), woraus sich derzeit eine Dividenden–Rendite von 3,4 Prozent errechnen würde.
Ernst Russ-Aktie (Tageschart): 200-Tage-Linie als Unterstützung