Am 16. September 2013 fand der Deutsche Derivate Tag in der Villa Kennedy in Frankfurt statt. Traditionell treffen sich hier im Herbst Zertifikate-Emittenten, Politiker und Journalisten, um Befinden und Zukunft der Branche zu diskutieren. Ein erster Eindruck gleich vorweg: Die Stimmung war schon mal besser – vorsichtig ausgedrückt.
Immer wieder war von Budget-Kürzungen, fehlenden Sponsoren, Anzeigenreduzierungen, Regulierungsvorhaben oder dem Abschied oder möglichen Abschied von Emittenten die Rede. Die Royal Bank of Scotland (RBS) hat sich bereits entschieden: Sie wird sich aus der Arena begeben, das hat das Institut schon Mitte Juni bekanntgegeben. Die RBS war kein Kleiner der Branche. Der Rückzug wirkt noch nach und es wird spekuliert, wer als nächstes aufgeben könnte. Eine Branche konsolidiert. Oberhausen ist nun am Main?
Wie gewohnt hielt Hartmut Knüppel, der geschäftsführende Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV), die Eröffnungsrede. Zertifikate gebe es seit 23 Jahren, den Verband seit fünf Jahren, gegründet zu Beginn der Finanzkrise. Von dieser habe sich die Branche erholt: „Wir bewegen uns beim Marktvolumen inzwischen wieder zwischen 90 und 100 Milliarden Euro.“ Das sei „gar nicht schlecht“ für so eine junge Anlageklasse wie es Zertifikate nun einmal seien. „Doch die großen Herausforderungen werden erst noch kommen, und den schwierigsten Teil der Strecke haben wir noch vor uns.“ Das läge vor allem an der Unsicherheit, wie die Zertifikate-Branche künftig reguliert werde. Eines sei allerdings schon klar: „Es wird in jedem Fall teurer.“ Solche Sätze hört man nicht gerne.
Damit aber nicht genug: „Wir haben aber noch eine größere Befürchtung“, so Knüppel düster. Die Regulierung könnte so eng ausfallen, dass den Emittenten die Luft wegbleibe und diese sich entschlössen, dass Geschäft ganz einzustellen.
Knüppel vergleicht seine Verbandsarbeit mit einem Marathonlauf. Mal auf, mal ab. Hügel. Täler. „Große Sorgen“ habe er, wenn er an die Ursprungsgeschichte des Marathonlaufs denke, schließlich sei der Läufer am Ende, ja – tot gewesen. Sein Appell: „Wir müssen unbedingt verhindern, dass eine gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierung Emittenten unter der Last der regulatorischen Auflagen und der damit verbundenen Kosten zusammenbrechen lässt.“
Vorauseilend hat der DDV nun einen Fairness Kodex eingeführt, der die deutsche Zertifikate-Branche wieder in „die Offensive“ bringen soll. Es sei ein Schritt zu „möglichst großer Produkt- und Kostentransparenz“. Zertifikate sollen noch attraktiver werden. Gut so. „Zertifikate gehören in jedes erfolgreiche Depot“, sagt Knüppel.
Die Zukunft der Zertifikate-Branche werde dadurch aber nicht entschieden, ausschlaggebend sei auch nicht die Stellung des Emittenten, sondern „vielmehr die Regulierung insbesondere auf europäischer Ebene entscheidend sein“. Nach den Gesetzesvorhaben richte sich, „ob für Zertifikate‐Emittenten das Angebot von strukturierten Wertpapieren auch künftig noch wirtschaftlich interessant ist“.
In der Auftaktrede schwingt gehörig viel Angst oder zumindest Respekt mit. Schwarzseher könnten sagen: Es sieht nicht gut aus, gar nicht. Von Aufbruch war deshalb nichts zu spüren, eher gehen viele in Deckung und warten ab. Tatsächlich wäre es sehr schade, wenn die Vermögensklasse Zertifikate sterben würde. Zwar ist längst nicht jedes Produkt gut und auch nicht für jeden Anleger geeignet, aber immerhin machen es Zertifikate auch für konservativere Naturen recht einfach möglich (standardisiert), zum Beispiel in Seitwärtsbewegungen eine erkleckliche Rendite zu erzielen. Es gibt Kapitalschutzprodukte, auch wenn diese aufgrund des Niedrigzinsumfelds derzeit nicht viel taugen, aber dazu kann die Branche nichts. Und es gibt Delta-1-Produkte wie Partizipations-Zertifikate mit den Anleger auch gestreut in exotischeren Regionen oder Branchen investieren können. Natürlich besteht ein Emittentenrisiko bei Zertifikaten – auch bei Kapitalschutzprodukten –, das von Anlegern mit ins Kalkül gezogen werden, dennoch bleibt eine klare Daseinsberechtigung, die nicht wegreguliert werden sollte.
Die richtigen Schritte sind mit dem Fairness-Kodex gemacht, ganz im Sinne von Walter Eucken, dem Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, der für ein möglichst freies ökonomisches Handeln, zwingend auch disziplinierte und verantwortungsbewusste Marktteilnehmer forderte. Man wird sehen.
Bildquelle: Deutscher Derivate Verband (DDV)