Time is Money // Schnell ein paar Fragen an Wolfgang Trier und Ernst Homolka, Vorstände bei Softing (517800 ), zu den kürzlich präsentierten Zahlen zum ersten Halbjahr, einem Plus beim Auftragseingang von 31 Prozent und möglichen Großprojekte mit hohem Softwareanteil. Nicht nur beim Thema Edge-Connectivity, also der Anbindung bestehender Anlagen an moderne IoT-Strukturen, sieht Softing ein „enormes Kundeninteresse“. Die Betriebsgewinn-Marge (Ebit) soll unter anderem durch den Verkauf neuer Produktleistungen per Software-Download in den nächsten Jahren nachhaltig gesteigert werden.
Herr Trier, zehn Prozent Umsatzplus im ersten Halbjahr auf 39,5 Millionen Euro und eine deutliche Steigerung des operativen Ergebnisses – Ebitda – um 76 Prozent auf 3,7 Millionen Euro zeigen, dass sich der positive Trend des vierten Quartals 2020 bei Softing fortgesetzt hat. Wie nachhaltig ist dieser Anstieg? Ist eine ähnliche Entwicklung im zweiten Halbjahr 2021 zu erwarten?
Wolfgang Trier: Wir sehen am starken Auftragseingang, dass in der Nachfrage unserer Kunden ein klarer Trend zur Erholung vorliegt. Selbst wirtschaftlich zu Hochzeiten der Pandemie stark angeschlagene Kunden investieren wieder sehr deutlich. Wir sehen darin Nachholeffekte, aber auch eine nachhaltige Erholung. Da der weit überwiegende Ertrag bei uns traditionell im zweiten Halbjahr erwirtschaftet wird, sind wir in Bezug auf das resultierende Wachstum sehr positiv gestimmt.
Sie sprechen den Auftragseingang an: Mit einem Plus beim Auftragseingang von 31 Prozent und beim Auftragsbestand von 14 Prozent haben Sie bereits fast wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht. Wann soll wieder das Umsatzniveau von 2019 und mehr erreicht werden? Eigentlich sollte man meinen, dass Edge-Anwendungen durch IoT wie geschnitten Brot laufen und der Trend zur volldigitalisierten Fertigung Ihnen in die Karten spielt.
Trier: Wir sehen in der Tat beim Thema Edge-Connectivity, also der Anbindung bestehender Anlagen an moderne IoT-Strukturen, ein enormes Kundeninteresse. Die Kunden sichern damit die Investitionen der vergangenen Jahre ab. Softing ist bei diesen Themen mit modernster Software-Technologie weit vorne im Wettbewerb positioniert. Unsere Leistungen sind alle mit Serviceverträgen verknüpft, womit schon bei der Erstinstallation Serviceumsätze der nächsten Jahre vereinbart werden.
Wir haben in diesem Bereich die Entwicklung und das Personal verstärkt und planen auch zukünftig die Ausweitung unseres Engagements. Viele Projekte werden in diesem Jahr geplant und begonnen. Aufgrund der kundenseitig notwendigen Vorarbeiten werden vor allem die größeren Projekte den überwiegenden Teil der Umsetzung erst im nächsten Jahr erbringen. Dies schafft damit die Basis für das Wachstum der kommenden Jahre.
Herr Homolka, Ihre Produkte beziehungsweise Anwendungen kann man unter Hightech einordnen. Wie sehen Sie aktuell die Liefersituation – Stichwort Chipmangel – kann das die weitere Entwicklung entgegen Ihren positiven Annahmen bremsen?
Ernst Homolka: Dies ist derzeit tatsächlich, wie im Halbjahresbericht beschrieben, unsere Hauptsorge. Wir haben im Rahmen unserer Planung umfangreich elektronische Bauteile auf Lager gelegt und konnten aufgrund langjähriger Lieferbeziehungen auch kritische Bauteile erhalten. Bisher mussten wir noch keine Umsätze wegen Materialmangel aufgeben, wenngleich die Herstellkosten deutlich über den Planwerten lagen.
Eine Vorschau ist derzeit aber nur eingeschränkt möglich: Was heute noch ein „unkritisches“ Bauteil ist, kann in wenigen Wochen schon nicht mehr lieferbar sein, trotz Zusagen der Hersteller oder ihrer Distributoren. Teilweise mussten wir über Chip-Broker, Kontingente von Bauteilen zu weit überhöhten Preisen sichern. Dies ist wirtschaftlich aber nur dort möglich, wo sich Kunden an den Zusatzkosten beteiligen oder wo es sich um die Markteinführung neuer Produkte handelt und somit nur kleinere Stückzahlen anfallen. Eine Abschwächung des Wachstums wegen Bauteilmangels trotz starker Nachfrage ist ein weltweites reelles Risiko, das sich durchaus auch noch durch das Jahr 2022 ziehen kann.
Woran liegt die verhaltene Entwicklung im Automotive-Bereich, die Branche an sich läuft doch eigentlich gar nicht so schlecht und es wird massiv etwa im Bereich E-Mobilität investiert?
Homolka: Nach den massiven Abschreibungen und Rückstellungen im vergangenen Jahr berichten die Automobilhersteller wieder über sehr gute Erträge. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Auftragslage im Entwicklungsbereich stark ausgedünnt ist. Die Komplexität und damit die Wertschöpfung der Fahrzeuge nimmt bei Umstellung auf reine E-Fahrzeuge deutlich ab.
Für große Hersteller wird dies mittelfristig vermutlich sogar zu einem Umsatz- und Ertragsrückgang führen. Die Investitionen in die Umstellung auf E-Mobilität erfolgen ferner sehr stark in wenige Komponenten hoher Wertschöpfung, etwa der Batterietechnik. Viele Dienstleister leiden massiv darunter. Wir profitieren einerseits davon, neue und erfahrene Mitarbeiter am Markt zu bekommen, erfahren aber andererseits die Zurückhaltung durch Verschiebung der Vergabe von Neuprojekten.
Sie sprachen von laufenden „Vergabeverhandlungen für Großprojekte mit hohem Anteil an Softwareprodukten“. Können Sie hierzu etwas konkreter werden.
Trier: Wir sehen uns bei mehreren großen Herstellern in der Beauftragung von mehrjährig laufenden Großprojekten sehr gut positioniert. Dabei geht es um Software, mit denen ein Hersteller die Diagnose seiner Fahrzeuge, das heißt den Zugriff auf alle elektronischen Steuergeräte, realisieren möchte. Andere Hersteller schreiben mehrjährige Pakete mit Service- und Produktanteilen aus. In jedem Fall geht es um Umsätze, die weit über das laufende Jahr hinaus wirken werden.
Deuten sich nach dem Auftrag für GlobalmatiX von der MSS Holding weitere Orders dieser Art an?
Trier: Wir haben für dieses Jahr noch rund 10.000 Einheiten für Kunden reserviert, die unsere Lösungen einsetzen wollen. Darunter sind auch sehr bekannte Namen. Ferner haben wir technische Erweiterungen und Varianten unserer Telematik-Box entwickelt, die neue Anwendungen erschließen werden. Nach Tests und Fertigung werden diese in Stückzahlen im ersten Quartal 2022 verfügbar sein. Dies wird dem Geschäft einen weiteren Schub geben.
Ist das zunächst ein Hardware-Thema mit geringeren Margen, bei dem das Geld im Nachgang mit Daten- und Serviceverträgen verdient wird?
Trier: Es ist richtig, dass unser Geschäftsmodell in erster Linie auf die über Jahre laufenden Daten- und Serviceverträge abzielt. Der einmalige Erlös beim Verkauf der Telematik-Boxen dient in erster Linie zum Einstieg in die Geschäftsbeziehung.
Wie geht es mit Ihrem wachstumsstärksten Segment IT Networks weiter? Welche Produkte haben Sie dort in der Pipeline?
Trier: Nachdem wir dieses Jahr mit dem NetXpert2 ein neues Gerät fertiggestellt und in die Marktfreigabe gebracht haben, arbeiten wir derzeit an vier weiteren Geräten, von denen zwei noch in diesem Jahr ihre Marktfreigabe erreichen werden. Die weiteren Geräte werden im nächsten Jahr fertiggestellt werden. Alle Geräte sind technisch so aufgebaut, dass wir permanent zusätzliche Funktionen entwickeln und über Software-Updates an unsere Kunden nachverkaufen können. Wir schaffen somit über den Verkauf der neuen Produkte einen stetig wachsenden Kundenstamm, den wir in Bezug auf Nachlizensierung neuer Funktionen direkt ansprechen können.
Wie will Softing generell die Ebit-Marge – weiter – steigern?
Homolka: Das vorstehend genannte Prinzip zum Verkauf neuer Produktleistungen per Software-Download bei IT Networks ist ein Element dieser Initiative. Hinzu kommen die Edge-Connectivity-Aktivitäten im Segment Industrial, bei denen das Hauptgeschäft aus sogenannten Software-Containern besteht, die sich der Kunde selbst bei uns oder von Plattformen lädt. Bei Automotive stehen ebenfalls Produkte bereit, die rein softwarebasiert sind. Auch hier wächst das Ertragspotenzial mit steigenden Stückzahlen der von den Kunden eingesetzten Module über den direkten Verkauf sowie über jährliche, stückzahlabhängige Serviceverträge. Insgesamt sind wir zuversichtlich, unsere Ebit-Marge in den nächsten Jahren nachhaltig steigern zu können.
Es gab mal Andeutungen zu möglichen Akquisitionen. Hat sich da etwas konkretisiert?
Trier: Wir sondieren den Markt und führen Gespräche mit den jeweiligen Unternehmen. Darunter befinden sich Unternehmen im frühen Wachstumsstadium wie auch reife Unternehmen mit fest etabliertem Produktgeschäft. Es ist jedoch zu früh, hierzu konkrete Angaben zu machen.
Herr Trier, Herr Homolka, vielen Dank für das Interview.
[…] der Vorstand von Softing jetzt auch noch einmal im Interview bei den Kollegen von Plusvisionen (HIER). Ein Unsicherheitsfaktor bleibt die arg angespannte Versorgungslage bei Elektronikprodukten. […]