Im Ampel-Deutschland gehen immer mehr Firmen pleite. Creditreform registrierte im ersten Halbjahr des laufenden Jahres rund 11.000 Unternehmensinsolvenzen. Das ist ein Anstieg um fast 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und stellt zugleich den unrühmlichen Höchststand seit fast zehn Jahren dar. Nun hat auch die Baywa, ein großer Agrarhändler weltweit, ein Sanierungsgutachten bei Roland Berger in Auftrag gegeben. Die Finanzierungslage sei „angespannt“, heiß es in der Ad-hoc-Mittelung.
Der Vorstand gehe aufgrund konstruktiver Gespräche mit Finanzierungspartnern und der eingeleiteten Maßnahmen davon aus, dass die Finanzsituation nachhaltig gestärkt werden kann. Nun, es ist Aufgabe eines Vorstands optimistisch zu sein, aber es ist auch Realismus gefragt. Wird die Baywa überleben? In der heutigen Form sicherlich nicht.
Es heißt hie und da, der frühere und langjährige Vorstandchef Klauf Lutz habe eine goldgeränderte Bilanz an den neuen Vorstand und langjährigen Mitstreiter Marcus Pöllinger übergeben. Dem war mitnichten so. Im Quartalsbericht zum ersten Quartal 2024 finden sich Schulden in Höhe von 11,3 Milliarden Euro, wovon 6,2 Milliarden kurzfristige Schulden sind. Die Finanzschulden betragen 5,6 Milliarden Euro (2,5 kurzfristig). Dem steht ein Eigenkapital von bescheidenen 1,6 Milliarden Euro gegenüber.
Die Schulden-Last führte in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) im ersten Quartal zu einem Zinsaufwand von 97,2 Millionen Euro und letztlich zu einem Verlust vor Steuern von 152,8 Millionen Euro.
Lutz war ein fleißiger Expandierer, aber hat, bei besseren Kursen, vergessen das Eigenkapital zu erhöhen, sprich ein paar Kapitalerhöhungen durchzuführen, die freilich unpopulär sind und die Eigenkapital-Rendite senken, doch letztlich die Bilanz stärken.
So kommt jetzt bei der Baywa einiges zusammen: Veränderter Brennstoffhandel, Flaute am Bau, Krise in der Solar- und Windenergie-Branche treffen auf eine überbordende Verschuldung. Auf die Gesellschaft und auch auf die Aktionäre könnte einiges zukommen. Die Dividende für das Geschäftsjahr 2023 wurde bereits gestrichen.
Im besten Fall gelingt es der Baywa Vermögenswerte gut zu verkaufen, um Geld ins Unternehmen zu bekommen. Für den Solarhandel wurde bislang allerdings kein passender Käufer gefunden. Vielleicht muss die Baywa Vermögenswerte abschreiben, was wahrscheinlich einen Verlust und eine weitere Minderung des Eigenkapitals zur Folge hätte. Womöglich wird eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung unausweichlich.
Darüber hinaus müssen Banken von der Sanierungsfährigkeit überzeugt werden, damit diese neue Kredite geben beziehungsweise bestehende Kredite verlängern. Ein Muss werden wohl auch (größere) Einsparungen sein.
Die Börse hat jüngst mit einem drastischen Kursrutsch reagiert, der noch nicht ausgestanden scheint – ein Einstieg jetzt wäre ein Vabanquespiel. Noch ist nicht klar, welche Sanierungsmaßnahmen konkret notwendig sind und welche Strategie der Agrar-, (Energie- und Baustoff-) Konzern künftig einschlagen wird.
Im laufenden Geschäftsjahr 2024 rechnet der Vorstand unverändert mit einem Betriebsgewinn (Ebit) von 365 bis 385 Millionen Euro. Im Geschäftsjahr 2023 betrug der Konzern-Umsatz 23,9 Milliarden Euro (2022: 27,1 Milliarden Euro) und das Ebit lag bei 304,0 Millionen Euro (504,1 Millionen Euro).
Nachtrag vom 24. Juli 2024: Der Baywa-Vorstand zieht die Ebit-Prognose mit Blick auf die anstehende Sanierung zurück.
Baywa-Aktie (Tageschart): freier Fall