Es war wieder einmal so weit: In Deutschland ging ein Unternehmen via klassischem Börsengang an das glatte Börsenparkett im Prime Standard. Es geht dabei um Ottobock, den weltgrößten Prothesenhersteller. Im positiven Marktumfeld kam das IPO gut an. Die für 66 Euro verkauften Papiere kletterten am ersten Handelstag schnell bis 73 Euro, ehe kleinere Gewinnmitnahmen einsetzen und das Papier in den Bereich knapp unter 70 Euro zurückfiel.
Mit einem Emissionserlös von rund 800 Millionen Euro war Ottobock der größte Börsengang des Jahres. Der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne und der US-Vermögensverwalter Capital Group übernahmen knapp ein Drittel der Aktien. Kühne sagte den Kauf von Papieren im Wert von 125 Millionen Euro zu, die Capital Group stellte weitere 115 Millionen Euro bereit.
Der Konzern bezeichnet sich als globaler Medtech-Champion, der somit am Weltmarkt eine führende Rolle einnimmt. Der Jahresumsatz liegt bei rund 1,6 Milliarden Euro.
Allerdings fließt der Großteil des Emissionserlöses in die Tasche der Eigentümerfamilie um Hans Georg Näder, was wir als sehr kritisch sehen. Lediglich rund 100 Millionen Euro aus einer Kapitalerhöhung dürften in der Gesellschaft landen, die dann in neue Technologien investiert werden sollen. Zudem will der Konzern durch Übernahmen wachsen.
Die Eigentümerfamilie benötigt das Geld zur Ablösung beziehungsweise Tilgung von Krediten. Damit hatten Näder & Co. im Vorjahr einen 20-Prozent-Anteil von einem Finanzinvestor zurückgekauft. Experten gehen aktuell davon aus, dass bis zum Jahr 2030 Kredite im Volumen von einer Milliarde Euro fällig werden. Dies dürfte daher auch nach dem IPO für weitere Abgaben der Eignerfamilie führen, zumal nun lediglich rund 19 Prozent im Streubesitz liegen. Ein halbes Jahr besteht allerdings zunächst ein Abgabeverbot.
Ungewöhnlich ist zudem die Rechtsform als europäische Kommanditgesellschaft auf Aktien – SE & Co.KGaA -, womit den Neuaktionären quasi das Mitspracherecht entzogen beziehungsweise es zumindest beschränkt wird.
Im ersten Halbjahr setzte Ottobock 760 Millionen Euro um, nach 666 Millionen Euro im gleichen Vorjahreszeitraum. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) kletterte von 132 auf 175 Millionen Euro.
Mit einer Marktkapitalisierung von rund 4,4 Milliarden Euro mit knapp dem dreifachen Jahresumsatz bewertet. Hinzu kommt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 30, was auch für die Medizinbranche einen hohen Wert darstellt.
Wir halten das Ottobock-Papier (BCK222) daher zunächst für ausreichend bezahlt. Einen Einstieg in der ersten IPO-Euphoriewelle empfehlen wir daher nicht, obwohl der Konzern in den kommenden Wochen sicherlich noch ein zwei bis drei gute Nachrichten verbreiten wird, wie dies bei Börsengängen üblich ist.
Ottobock-Aktie (Tageschart): Kurse über dem Emissionspreis von 66 Euro


